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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)
Autoren: Laura Amy Schlitz
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ein – aber er war mit Sicherheit der großartigste Onkel und Vormund, den ein Mädchen wie Oona sich erhoffen konnte. Und außerdem hatte er schließlich eingelenkt und sie ihrer magischen Verpflichtungen entbunden, damit sie ihr Interesse an der Detektivarbeit besser verfolgen konnte. Was hätte sie mehr von ihm verlangen können? Also hatte Oona versprochen, keinen lebensgefährlichen Verbrechern hinterherzuschnüffeln … wenn es sich vermeiden ließ.
    In diesem Augenblick schaute sie in Richtung Norden und blickte die Dark Street hinab, die letzte der Feenstraßen, die die Welt der Menschen mit der sagenumwobenen Welt der Feen verband. Die breite Kopfsteinpflasterstraße erstreckte sich ohne Unterbrechungen durch Kreuzungen oder Stichstraßen über gut dreizehn Meilen und bildete eine Welt für sich. Die Gebäude erhoben sich am Gehsteigrand wie schiefe Zähne, die in einen zu kleinen Mund gequetscht worden waren. Sie schienen sich gegenseitig zu stützen und es sah aus, als würde der Einsturz eines Hauses eine Kettenreaktion auslösen, bei der die anderen wie eine Reihe von Dominosteinen, eins nach dem anderen, ebenfalls umfallen würden.
    Oona dachte einen Moment lang über die Straße nach, diese uralte Welt zwischen den Welten, mit ihren gewaltigen Glastoren am einen Ende und den riesigen Eisentoren am anderen. Von diesen beiden Zugängen öffnete sich nur das Eisentor, und das nur einmal in jeder Nacht, um Mitternacht, dann schwangen die gewaltigen Türen nach innen auf, an Angeln, so groß wie Häuser, um sich eine Minute lang der ständig wachsenden, aufstrebenden Stadt New York zu öffnen. So lange, wie der Sekundenzeiger für seine Reise um die Uhr brauchte, blieben die Eisentore offen für jeden, der sich entschloss, über die verzauberte Schwelle zu treten. Dies geschah jedoch so gut wie nie. Kaum jemand bemerkte das Tor überhaupt.
    In einer Stadt wie New York waren die Leute selbst um Mitternacht zu sehr damit beschäftigt, von einem Platz zum anderen zu gelangen, um irgendetwas Außergewöhnliches zu registrieren. Und wenn doch einmal jemand die Straße plötzlich aus dem Nichts auftauchen sah, tat er oft so, als sei sie nicht da. Manche Leute mochten verwundert hinschauen, doch wenn sie sich noch einmal umdrehten, war die Straße wieder verschwunden, und sie redeten sich ein, dass es eine Sinnestäuschung gewesen sein musste. Nichts weiter. Die Kinder von New York wären sicher eher in der Lage gewesen, die Straße zu sehen als die Erwachsenen, aber um Mitternacht lagen die meisten braven Kinder natürlich sicher in ihren Betten und träumten von noch geheimnisvolleren Orten.
    Doch wenn ein Außenseiter sich tatsächlich durch das Tor getraut hätte, wäre ihm der Ort nicht so viel anders erschienen als die Stadt, aus der er gerade gekommen war. Ein Ort voller alltäglicher Leute, die ihr alltägliches Leben lebten – ein Leben mit einfachen Freuden und Betrügereien. Als Erstes würde ihm vielleicht auffallen, dass die Mehrheit der Dark-Street-Bewohner ihre Gespräche in unterschiedlichen britischen Dialekten führten, statt amerikanisch zu sprechen, und dass einige der Einheimischen die Straße als Little London Town bezeichneten. Dann würde ein Besucher bemerken, dass einerlei, welche Jahreszeit in New York herrschte, ob klirrende Kälte oder sengende Sommerhitze, die Temperaturen in der Dark Street luftig und mild waren, und man meist mit einer leichten Jacke oder einem Umschlagtuch auskam. Oder es goss in Strömen, während es in New York vor Trockenheit nur so staubte. Und das waren längst nicht alle Eigentümlichkeiten, denn bei näherer Betrachtung stellten Außenstehende fest, dass hier die Schatten ein wenig dunkler wirkten und man es vermied, auf sie zu treten, damit man nicht hineingezogen wurde. Sie würden eine Welt entdecken, in der das Blau des Himmels tagsüber fast violett schien, und die Sterne nachts so hell leuchteten, dass man bei ihrem Licht lesen konnte. Es war ein Ort, so alt wie der Wind, wo Kerzenbäume als Straßenlaternen dienten, und wo die Straßenuhren nicht nur die Uhrzeit anzeigten, sondern auch Witze erzählten.
    Doch noch eindrucksvoller als die Entdeckung neuer verzauberter Dinge war für den einfühlsamen Besucher der unterschwellige Eindruck verloren gegangener Magie – eine Straße, die mehr Magie vergessen hatte als Regentropfen auf die Erde gefallen waren. Es war eine uralte Straße aus einer Zeit vor der Zeit. Vor der Errichtung der eisernen und
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