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Ciao Tao

Ciao Tao

Titel: Ciao Tao
Autoren: Hen Hermanns
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nachforschen, was Lütgenau in den letzten Tagen getrieben hat. Irgendwo muß er das Geld doch abgehoben haben. Irgendwo müssen 500000 Dollar fehlen! Und du sitzt hier und tust so, als hättest du alles unter Kontrolle. Gar nichts hast du unter Kontrolle!«
    »Ich bin sicher, daß die Sache zu Ende ist. Und wenn es wirklich der Mossad war, der Lütgenau umgelegt hat, werden seine Freunde oder Geschäftsfreunde jetzt ganz andere Sorgen haben, als sich um so ein Trinkgeld wie eine halbe Million Dollar zu kümmern. Und mir hilft das Geld weiter. Und wenn es um Moral und Recht und dieses Zeugs geht, dann könnten ja wohl alle ihren Krempel hinschmeißen. Schon mit deinen Steuern unterstützt du die übelsten Machenschaften, das weißt du doch selbst.«
    Ich hielt ihr ein Flugticket hin.
    »Laß uns eine Woche abhauen. Ich würde mich freuen, wenn du mitkommst. Und wenn du am Ziel wartest, laufe ich den Marathon unter zwei Stunden.«
    Alwine schüttelte den Kopf.
    »Ich kann nicht. Mir ist das alles zuviel. Außerdem muß ich jetzt jeden zweiten Abend auftreten.«
    »Botschaft verstanden«, sagte ich. »Dann gehe ich jetzt wohl besser.«
    »Ja«, sagte Alwine und küßte mich. Es wurde ein ziemlich langer Kuß. Und dann ging ich. An der Tür drehte ich mich noch mal um. Wir sahen uns an. Auch ziemlich lange. Dann zog ich die Tür hinter mir zu und machte, daß ich wegkam.

18.

    Also flog ich ohne Alwine. New York war sozusagen fun as usual. Das heißt, ich zog meine üblichen Aktivitäten und Sentimentalitäten durch. Zu letzteren zählten Herumhängen am Washington Square und im Hof des Museum of Modern Art, das Runtergaffen vom Empire State Building und vom World Trade Center, und vor allem die morgendlichen Trainingsrunden im Central Park mit Walkman und Gershwin-Musik. Zu ersteren: ausgiebige Frühstücksorgien im Cupping-Room am West-Broadway, wo es die unvergleichlichen Brokkoli-Omeletts gibt, stundenlanges Rumstöbern bei Rizzoli und anderen Buchhandlungen und natürlich der unvermeidliche Met-Besuch mit Sal Goldblum, der diesmal mit Karten für Pavarotti in >Rigoletto< auftrumpfen konnte. Ich vergaß alles, so gut ich konnte. Let the good times roll.
    Und dann kam der große Tag. Fred Lebow, Chairman des New York Road Runners Club, und Bürgermeister Ed Koch sprachen einige aufmunternde Worte, dann bollerte die Startkanone, und rund 24 000 Wahnsinnige drängelten sich über die Verrazano Bridge. Einige pinkelten noch mal schnell von der Brücke runter. Über uns donnerten die Hubschrauber der Fernsehsender. Richtiges Laufen war erst nach fünf Minuten Trippeln und Geschiebe möglich. Aber dann lief es. Und es lief gut für mich. Nach lockeren 21 Kilometern durch Brooklyn und Queens ging es die Queensboro Bridge hoch, und vor uns glänzte die brutale Schönheit der Skyline von Manhattan. Dann ätzende 6 Kilometer lang schnurgerade und endlos die 1st Avenue rauf, dann durch die Südbronx und die Horrorstraßen von Harlem und den hügeligen Central Park. Und überall Musik und jubelnde und anfeuernde Zuschauer. Dazwischen Gedanken, Träumereien, weggewischt. 5 miles to go! 1 mile to go! You’re looking great! Es konnte sicher keine Rede davon sein, daß ich gut aussah. Aber ich war am Ziel. Zwei Stunden, 56 Minuten, 55 Sekunden. Nicht schlecht für einen 38jährigen Grappasäufer. Sie gaben jedem von uns eine Medaille und ein großes Stück Alufolie, in das wir uns einwickelten. Perrier mit Orangengeschmack wurde verteilt. Ich wußte aus Erfahrung, daß mir von dem Zeugs schlecht werden würde, trank aber trotzdem zwei Flaschen. Überall lagen Menschen in Alufolie auf dem Gras, überall schlichen Menschen in Alufolie herum. Ich trottete zu dem Bus, in dem ich eine Tasche mit frischen Klamotten verstaut hatte. Ich hatte einige Schwierigkeiten dabei, in den Bus zu krabbeln und mich umzuziehen. Alles tat weh, und langsam wurde mir auch schlecht. Noch im Central Park kotzte ich die erste Flasche Perrier aus. Vorbeigehende Passanten fühlten sich in ihrem Vorurteil bestätigt, daß Marathonlaufen bescheuert ist. Auf der 54. Straße gratulierte mir einer, das baute wieder auf.
    Irgendwie schaffte ich es zum Hotel. Als ich meine Tür aufgeschlossen hatte, stieß mich jemand ins Zimmer. Das wurde ja auch Zeit. Schon so oft in New York, und noch nie überfallen worden. Ich stolperte nach vorne, fiel aufs Bett, drehte mich mühsam um, setzte mich auf und starrte auf eine kleine Pistole, die auf mich gerichtet war. Aber sie
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