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Ciao, Don Camillo

Ciao, Don Camillo

Titel: Ciao, Don Camillo
Autoren: Giovanni Guareschi
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Hecken! Pappeln braucht es, denn wenn ihr zehn Jahre wartet und dann die Pappeln verkauft, werdet ihr, wenn ihr nachrechnet, feststellen können, daß jeder halbe Hektar statt zehnmal zehntausend euch dann zehnmal achtzig- oder neunzigtausend eingebracht haben wird.
    Die alten Bauern der Bassa hatten nicht die Zeit, zehn Jahre zu warten. Sie waren gewohnt, die Abrechnung jedes Jahr zu machen, wenn die Milch verkauft war, und so blieben sie dabei, Getreide auszusäen. Manch einer, der älter und dickköpfiger war, baute noch Mais an und pflanzte auch noch Kichererbsen dazwischen.
    Wenn Don Camillo an die Kichererbsen dachte, fielen ihm die fernen Tage seiner Kindheit ein, und er spürte wiederum den säuerlichen Geschmack der Erbsenschalen in seinem Mund und auf den Händen und Wangen die ländliche Liebkosung der noch zarten, frischen und kleinen Pflanzen, die aus der trockenen und rissigen Erde der Maisfelder herausgezogen wurden. Die Erinnerung an den Schlehdorn und die halb grünen, halb blauen Früchte ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Er seufzte, schloß das Fenster und drehte das Licht an. Trotz des Dunkels war irgend so eine verdammte Stechmücke ins Zimmer geraten. Der Vater fiel ihm ein, der an den Sommerabenden vor dem Schlafengehen die kalkweißen Wände des Kinderzimmers inspizierte: Zentimeter für Zentimeter bei Kerzenschein.
    Die Stechmücke ist teuflisch und dumm zugleich. Ihr werdet sie niemals mit Gewalt fangen können, und wenn ihr, nachdem ihr euch zweitausend Mal auf Stirn, Wangen oder Hals geschlagen habt, dabei zufällig eine Stechmücke erwischt, dann kann man von einem Wunder reden. Die Stechmücke muß hinterrücks gefangen werden. Wenn sie an der Wand ruht, dann nähert ihr euch vorsichtig, so daß ihr die Flamme an ihren Rücken bringt: Kaum hat die Mücke die Wärme gespürt, macht sie einen Sprung nach hinten und verbrennt. Die Sache klappt, als ob die Mücke von der Flamme aufgesogen würde. Vielleicht geschieht das auch, weil das Tier aus rein technischen Gründen nur eine Art von Flugstart kennt. Jedenfalls ist es eine Tatsache, daß die Stechmücke, wenn man sie richtig hinterrücks erwischt, darauf reinfällt.
    Don Camillo fand an jenem Abend noch keinen Schlaf und las wieder vor dem ausgelöschten Kamin in seiner Zeitung. Das tat er etwa eine halbe Stunde lang, dann spitzte er die Ohren, weil Ful winselte. Ein leises Winseln, fast wie eine Klage.
    Don Camillo löschte das Licht, ging aus dem Zimmer und gelangte langsam und vorsichtig durch den Flur zur Tür, die auf den kleinen Hof hinausging. Dort blieb er stehen. Er hatte sich wie ein Geist benommen, aber Ful hörte ihn trotzdem und winselte jetzt ein bißchen klagender und lauter. Dann kratzte er mit der Pfote an der Tür. Ful war ein wohlerzogener Hund, und er wäre auch nicht, nicht einmal mit einem Maschinengewehr im Nacken, bereit gewesen, seinem Herrn eine Falle zu stellen. Don Camillo zögerte also keinen Augenblick, drehte das Licht an und öffnete die Tür.
    Ful war allein, aber er kam nicht ins Haus. Er blieb vielmehr an der Türschwelle, bellte leise, kehrte daraufhin Don Camillo den Rücken zu und begab sich zum Eingang des Holzschuppens. Als er die Mitte des kleinen Hofs erreicht hatte, blieb er stehen und drehte sich um. Da ging Don Camillo zu ihm hinaus. Der Hund begleitete ihn bis zum Eingang des Holzschuppens und winselte. Don Camillo machte die Taschenlampe an und öffnete weit die Tür. Das Licht der kleinen Lampe ließ etwas in einer Ecke des großen Raums glänzen; dabei handelte es sich, wie man sogleich erkennen konnte, um zwei mit Tränen überströmte Augen.
    »Was machst du hier um diese Zeit?« schrie Don Camillo.
    Ful versuchte, die Situation, so wie sie nun einmal war, zu erklären, aber als er sah, daß Don Camillo sich drohend auf den Besitzer der tränenüberströmten Augen zubewegte, erreichte er jene Ecke mit einem Sprung, machte schnell kehrt, knurrte und zeigte Don Camillo die Zähne.
    Wenn Ful sich seinem Herrn gegenüber so benahm, mußte er seine guten Gründe haben, und Don Camillo stoppte seinen Vormarsch.
    »Also gut«, brummte er. »Folge mir, wir sprechen im Haus darüber.«
    Die Erklärung erfolgte im Wohnzimmer, in Fuls Gegenwart. Der Besitzer der tränennassen Augen war genau zehn Jahre, sechs Monate und zwei Tage alt, und Don Camillo wußte dies ganz genau, nicht weil er jenes Bündel einst getauft hatte, sondern weil es sich damals um eine wirklich außergewöhnliche
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