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Chuzpe: Roman (German Edition)

Chuzpe: Roman (German Edition)

Titel: Chuzpe: Roman (German Edition)
Autoren: Lily Brett
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ausdrückte. Er hörte sich alle Wörter an, die Max sagte, und fügte seine eigenen hinzu.
    Ruth wünschte sich, Edek würde eine nette Frau kennenlernen. Eine Jüdin, die vielleicht Jiddisch sprach und sogar ein bißchen Polnisch. Ruth erwartete nicht, daß Edek der Liebe seines Lebens begegnete. Das war bereits geschehen. Er hatte Rooshka innig geliebt. Und lange. Ruth wünschte sich nur, daß ihr Vater eine Gefährtin fand. Jemanden, mit dem er ins Kino gehen konnte. Jemanden, mit dem er etwas unternehmen konnte. Jemanden, der ihm Gesellschaft leistete. Wenn sie jemanden fand, der dafür sorgte, daß Edek tagsüber beschäftigt war, dann wären ihre eigenen Tage weniger chaotisch.
    Aber Edek war nicht interessiert. »Ich habe soviel Gesellschaft, wie ich nur will«, hatte er mehrmals gesagt. »Ich habe dich, das ist die Hauptsache, und ich habe Gatt.« Garth sprach er immer wie Gatt aus. »Und ich habe Zelda und Zachary und Kate, was sehr nette Enkelkinder zu mir sind. Nicht viele Leute haben sich solche nette Enkelkinder«, fügte er hinzu. »Ich habe jede Menge Gesellschaft. Du mußt dir machen keine Sorgen um mich. Ich bin hundert Prozent in Ordnung. Ich sollte mir machen Sorgen um dich. Du arbeitest viel zuviel. Und ich bin sehr glücklich, daß ich dir kann helfen bei deiner Arbeit.«
    Ruth war ratlos. Aber sie hatte es nicht über sich gebracht, Edeks Selbstbewußtsein als Mitarbeiter von Rothwax Correspondence anzukratzen. Wenn er ihr berichtete, daß er Versandkuverts oder Wellpappe zu Sonderkonditionen ausfindig gemacht hatte, setzte sie eine erfreute Miene auf. Rothwax Correspondence hatte noch nie Wellpappe als Verpackungsmaterial verwendet. Ruth hoffte, daß die Rollen nicht zu groß waren. Sie bat Max, dem Lieferanten zu sagen, er solle die Rollen direkt in den Keller bringen. Ruth mußte die achtzig Quadratmeter Kellerraum, die zu ihrem Büro gehörten, allmählich benutzen. Bisher hatte sie sie nie gebraucht.
    Ruth schlug Edek vor, sich einem Seniorenlesezirkel anzuschließen, von dem sie gehört hatte. Die Gruppe traf sich im East Village und stand in Verbindung mit den dortigen Temple-Beth-Zaddik. Edek hielt nicht viel von dieser Idee.
    »Bist du blöd geworden?« fragte er.
    »Ein Lesezirkel ist eine Gruppe von Leuten, die sich treffen, um sich über ein Buch zu unterhalten, das sie gelesen haben«, sagte Ruth. »Du erfährst, was andere Leute von dem halten, was in dem Buch steht, wie sie darüber denken, wie sie es interpretieren.«
    »Denkst du, ich bin blöd?« sagte Edek. »Denkst du, ichkönnte kein Englisch? Wozu sollte ich gehen zu so einer Gruppe, wo Leute diskutieren, was in dem Buch steht, was sie haben gelesen?«
    Ruth sah ihn an. »Warum verstehst du nicht, was ich sage zu dir?« sagte er und rollte die Augen. »Ich lese am liebsten diese Kriminalbücher. Das weißt du. Du hast mich gesehen Kriminalbücher lesen fast mein ganzes Leben lang. Du hast mir solche Bücher gekauft oft genug. Und Zelda kauft mir noch mehr solche Bücher, als du es tust.« Ruth sah ihn noch immer verständnislos an. »Was passiert in solchen Büchern, was ich lese, das ist genau, was passiert«, sagte Edek. »Einer bringt um einen anderen, und dann ein anderer findet heraus, wer den anderen hat umgebracht. Manchmal einer erpreßt einen anderen oder mehrere. Und fast immer weiß man, wer ist dieser Erpresser, bevor man hat das Buch ausgelesen. Was passiert in dem Buch, ist genau das, was passiert. Es gibt nichts darüber zu reden. Vielleicht man kann sagen, ob es ist ein gutes Buch oder ein schlechtes Buch, aber man muß sich nicht extra treffen mit anderen, um zu sagen, ob ein Buch ist gut oder schlecht.«
    Ruth nickte zustimmend. »Das war keine gute Idee von mir«, sagte sie. »Vielleicht sollten wir dir einen Masseur besorgen. Regelmäßige Massagen würden dir sicher guttun.«
    »So was ist nichts für mich«, sagte er und rannte aus dem Zimmer, um für Max Büroklammern aus der Abstellkammer zu holen.
    »Du kannst nicht schwimmen«, sagte Ruth einige Tage später zu ihrem Vater. Edek sah sie an, als spräche sie Mandarin. »Ich dachte mir, du hättest vielleicht Freude am Schwimmunterricht«, sagte sie. »Vormittags gibt es solchen Unterricht im Y in der 92nd Street.«
    Edek beäugte sie, als hätte sie den Verstand verloren. »Ichbin in meinem ganzen Leben nicht geschwommen«, sagte er. »Ich wollte nicht schwimmen als Junge in Polen, und warum sollte ich schwimmen wollen jetzt als alter Mann?«
    Ruth
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