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Chuzpe: Roman (German Edition)

Chuzpe: Roman (German Edition)

Titel: Chuzpe: Roman (German Edition)
Autoren: Lily Brett
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sie seit Jahren Edeks Unterhalt finanzierte. Was wesentlich kostspieliger war, seit er eine Einzimmerwohnung an der Second Avenue bewohnte, als zu Melbourne-Zeiten. Teilweise mußte sie Edek insgeheim recht geben. Vermutlich hatte sie genug Geld. Sie hatte genug Geld, um ein großes Loft in SoHo und ein Ferienhaus zu besitzen. Sie hatte genug Geld, um alle Bücher zu kaufen, die sie haben wollte, und so oft ins Theater zu gehen, wie sie wollte, und um zu reisen.
    »Ich werde ihn als Kunden verlieren«, wiederholte sie.
    »Schmonzes«, hatte Edek geantwortet.
    Ruth wünschte, sie könnte etwas finden, was Edek interessierte, irgendeine Art von Zeitvertreib. Etwas, womit er sich beschäftigen konnte. Aber er hatte nie ein echtes Hobby gehabt. Kein einziges. Sofern man das Essen nicht als Hobby betrachtete. Ruth fand nicht, daß man das ernsthaft als Hobby durchgehen lassen konnte.
    Ihr Vater spielte gern Rommé. Sie hatte ihm vorgeschlagen, einem jüdischen Rentnerclub beizutreten. »Wozu? Um ab und zu mit anderen altes Kackes Karten zu spielen? Ich helfe dir lieber in deiner Firma«, hatte er gesagt. »Auf diese Weise bin ich dir nützlich«, hatte er hinzugefügt, falls es ihr noch nicht klar gewesen sein sollte.
    Ruth atmete tief ein. Sie hatte ihr Büro fast erreicht. Sie nahm an, daß ihr Vater bereits da war und Pläne für die Mittagspause machte. Den ganzen Vormittag über erkundigteEdek sich regelmäßig nach der Mittagspause. Ruth erklärte ihm immer wieder, daß Rothwax Correspondence weder eine Schule noch eine Fabrik war, wo es festgesetzte Zeiten für die Mittagspause gab. Sie mußten flexibel sein. Sie machten Mittagspause, wenn sie Hunger oder Zeit hatten.
    Als nächstes fragte Edek Max und Ruth, was sie zum Mittag essen wollten. Zum erstenmal fragte er gegen zehn Uhr vormittags. Niemand sonst im Büro machte sich um diese Tageszeit Gedanken über die Mittagspause. Wahrscheinlich sogar niemand sonst in ganz Manhattan. Edek ging gerne den Lunch holen. Max, die am liebsten im Büro aß, freute sich, wenn Edek ihr etwas zu essen mitbrachte. Dadurch hatte sie mehr Auswahl. Sie konnte jetzt bei Whole Foods oder der Balthazar Bakery oder sogar bei Olivier’s Asian Rice Bar bestellen, das gut und gerne zehn Häuserblocks entfernt war.
    Edek war kein Weg zu weit und kein Taxi zu kostspielig, wenn es darum ging, den Lunch zu holen. Damit das warme Essen warm blieb, fuhr er selbst dann mit dem Taxi zurück, wenn er ganz in der Nähe des Büros war. Für sich selbst kaufte er gern in einem Feinkostgeschäft an der Duane Street Lasagne oder Spaghetti Bolognese oder überbackene Makkaroni. Dort konnte er sich selbst bedienen und soviel nehmen, wie er wollte. »Ich habe zu viele Lasagne gegessen« (oder Spaghetti oder Ravioli), sagte er jedesmal anschließend zu Ruth und hielt sich den Bauch. »Aber es war sehr gut«, fügte er hinzu, bevor er mehrere Nuß- oder Schokoriegel verspeiste.
    Wenn Ruth morgens zur Arbeit kam, saß Edek oft in ihrem Büro und blätterte in Aktenordnern. Oder er plauderte mit Max. Edek gab Max gern Ratschläge. Über das Leben und die Liebe oder über Wohnungen und die U-Bahn. Er erzählte ihr aus seinem Leben, und sie saß da wie gebanntund nahm den Hörer nicht ab, wenn das Telefon klingelte. Sobald Edek Ruth erblickte, sprang er auf und verließ den Raum. Er lief mit den kurzen, abrupten, schnellen Schritten, mit denen er sein ganzes Leben lang gelaufen war. Er verschwand in die Abstellkammer. Oder auf die Toilette oder in die Teeküche. »Ich bin schon fertig«, sagte er, während er davonlief. »Ich will nicht im Weg sein«, fügte er hinzu.
    »Ihr Vater ist großartig«, sagte Max mehrmals täglich.
    Wenn Ruth Max nicht so dringend im Büro benötigt hätte, wäre Max genau die richtige Gesellschaft für Edek gewesen. Sie konnten sich den ganzen Tag unterhalten. Max redete sehr gerne. Max konnte sich über die einfachsten Dinge sehr umständlich äußern. Jahrelang hatte Ruth Max eingebleut, sich kürzer zu fassen. »Schnitt, Max, Schnitt«, sagte Ruth, wenn Max Dutzende von überflüssigen Wörtern verwendete, um zu erklären, was sie sagte. »Es dauert nur eine Minute«, pflegte Max zu sagen, wenn sie Ruth unterbrach, »es dauert nur eine Minute, ich muß nur Mr. X zurückrufen und die Rechnungen rausschicken, bevor die Post schließt.« Oder weil der Schlosser sich angemeldet hatte oder der Kammerjäger oder der Fensterputzer. Edek fand nicht, daß Max sich zu wortreich
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