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Chucks Welt

Chucks Welt

Titel: Chucks Welt
Autoren: Aaron Karo
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von Verzweiflung streiftmich und ich habe das Gefühl, an einem Abgrund zu stehen. Soll ich zurück ins Auto oder ziehe ich das durch? Ich zwinge mich, auch meinen rechten Schuh in den Matsch zu setzen. Während ich die Autotür schließe, ziehe ich eine Grimasse. Aber ich mache weiter.
    Ich hole meine Sachen aus dem Kofferraum, drücke den Verschlussknopf von Moms Automatikschlüssel an die zwanzig Mal, bis das Auto auf die genau richtige Art piepst, dann mache ich mich auf in Richtung der Feierlichkeiten.
    Das Gras ist klitschnass, was immerhin den Vorteil hat, dass es mir den Dreck von den Chucks wäscht, so halbwegs zumindest. Doch plötzlich überfällt mich eine Ahnung, in welchem Zustand der restliche Zeltplatz sein muss. Gestern Nacht hat es wirklich saumäßig geregnet. Ich gehe weiter. Setze einen Fuß vor den andern.
    Es ist noch hell draußen, also kann ich, je näher ich herankomme, immer mehr Einzelheiten erkennen. Ein paar Schwachköpfe jagen mit nacktem Oberkörper und Bierdosen in der Hand ihre Kumpels ums Feuer. Jede Menge Zelte sind ringsherum aufgestellt, in allen Formen und Größen, aber keines ist auch nur annähernd so beschissen wie meins. Hier und da entdecke ich knutschende Pärchen. Mehrere iPods spielen auf einmal und konkurrieren um Aufmerksamkeit, sodass ich die einzelnen Songs nicht auseinanderhalten kann.
    Als ich mich dem äußeren Ring von Zelten nähere, merke ich, dass das Gras hier absolut hinüber ist. Muss am Zusammenspiel von vielen trampelnden Füßen und dem heftigen Gewitter liegen   – jedenfalls versinkt der Campingplatz im Matsch. Matsch unter den Holzscheiten des Lagerfeuers, Matsch auf den Zelten, Matsch auf den Klamotten von Betrunkenen. Mein Herz fängt an zu rasen.
    Ich finde einen leeren Fleck weiter hinten am Waldrand und beschließe, dass dieser Platz so gut oder schlecht ist wie jeder andere. Lieber bin ich abgeschieden von den andern als mitten im Trubel.Ich zerre eine Plane aus der Tasche, deren Mottenkugelgeruch mich sofort in die Greulich-Garage zurückversetzt. Komischerweise beruhigt mich das. Ich schaffe es, die Plane auf dem Boden auszubreiten und meine Sachen draufzuschmeißen. Ich schwitze, meine Sneaker sind dreckig, meine Hände zittern. Aber ich lebe.
    Ich nehme die Umgebung ins Visier. Etwa fünfzehn Meter links von mir entdecke ich Ashley, der das größte Zelt von allen hat, weil er selbst so wahnsinnig groß ist. Neben ihm sind Stacey und Wendy. Sie haben identische Zelte   – Dinger in grellem Pink, die aussehen, als hätten sie eine Art eingebaute Veranda oder so. Ihre Zelte wirken schöner als mein Zimmer zu Hause. Ich verabscheue die beiden mehr denn je.
    Aber meine brodelnde Wut findet ein jähes Ende, als mir klar wird, dass ich Amy nicht finde. Wenn sie hier wäre, dann doch logischerweise mit einem von den dreien. Das ist zugleich ermutigend und entmutigend . Es geht nicht schnell oder leicht.
    Neben Stacey und Wendy entdecke ich meine Schwester und Parker. Parkers Zelt ist rot und albern. Beth hat eine etwas weniger beschissene Version meines Zelts, kein Wunder, sie war ja vor mir bei den Greulichs. Es erleichtert mich, dass sie es wirklich aufgestellt hat und nicht einfach bei Parker pennt. Neben seinem Zelt türmen sich leere Bierdosen. Gerade trinkt er wieder eine aus und rülpst zum Abschluss laut. Meine Schwester kichert wie geistesgestört.
    Ganz weit drüben auf der andern Seite vom Feuer entdecke ich Kanha. Er hat sich allen Ernstes eins von diesen Gangsta-Durags aufgesetzt. Ich muss lachen. Was für ein Schwachkopf. Neben ihm sind die Barrys   – wenn mich nicht alles täuscht, in ein Mathebuch vertieft. Wahrscheinlich bereiten sie sich auf ihren finalen Wettkampf vor, gibt auch keine andere Gelegenheit dafür als die Abschlussfahrt, klar. Ich sage mir im Stillen, dass ich diesen Knalltüten auf jeden Fall überlegen bin, und fühle mich gleich einen Hauch besser.
    Ich schaue an den Barrys vorbei und sehe unerwartet Steve direkt in die Augen. Er starrt mich von der andern Seite des Zeltplatzes an, total erstaunt. Kein Wunder. Ich bin buchstäblich der letzte Mensch, den er hier erwarten konnte. Schnell wende ich mich ab und kann nur raten, was er wohl denkt.
    Das Zelt ist viel einfacher aufzustellen, als ich dachte, was vielleicht daran liegt, dass ich immer mit dem Schlimmsten rechne. Ich werfe den restlichen Kram hinein, hocke mich mit dem Hintern ins Zelt und strecke die Füße raus auf die Plane.
    Die Realität holt
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