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Chucks Welt

Chucks Welt

Titel: Chucks Welt
Autoren: Aaron Karo
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führe eine Liste, wie oft ich masturbiere«, kriegst du nicht besonders viele Treffer. Besser gesagt kriegst du einen Haufen Treffer, aber nichts, was wirklich passt, und schon gar nichts, was du auf dem Bildschirm im Computerraum deiner Schule sehen willst. Aber wenn du eingibst: »Ich wasche mir andauernd die Hände«, ist das vollkommen anders. Fast alle Ergebnisse gehen in die gleiche Richtung: Was ich da so treibe, das sind nicht einfach irgendwelche festen Routinen. Das sind Zwänge. Jeder kennt das von sich, man liest irgendwas und denkt: Scheiße, das bin ich! Tja, und nachdem ich das alles gelesen hatte, wusste ich Bescheid.
    Ich heiße Chuck. Ich bin siebzehn. Und laut Wikipedia habe ich eine Zwangsstörung.

E igentlich heiße ich gar nicht Chuck. Sondern Charles. Wie jemand auf die Idee kommt, ein Baby Charles zu nennen, ist mir schleierhaft. Als hätten meine Eltern vor über hundert Jahren in England gelebt oder so. Der Name kommt vom Opa meiner Mom, der ziemlich hart drauf gewesen sein soll. Als ich geboren wurde, war er schon lange tot, ich habe ihn also nie kennengelernt. Aber mal ehrlich, wie krass kann ein Typ sein, der Charles heißt? Zum Glück spricht mich keiner mit diesem Namen an. Ich laufe unter Chuck. So nennen mich in der Schule alle. Wobei alle ziemlich relativ ist. Ich bin in der Schule nämlich mehr oder weniger unsichtbar. Sagen wir also besser, mein einziger Freund und meine Lehrer nennen mich so. Was soll’s? Ist jedenfalls besser als Charles.
    Vielleicht habt ihr’s euch schon zusammengereimt, vielleicht auch nicht   – mit vollem Namen heiße ich jedenfalls Chuck Taylor. Und es gibt einen echten Chuck Taylor, der im Unterschied zu meinem Uropa definitiv krass und auch cool war. Dieser Chuck Taylor war in den Zwanzigerjahren ein Basketballstar. Er hat für die Firma Converse gearbeitet und die haben irgendwann ihren populärsten Schuh nach ihm benannt   – den berühmten Chuck Taylor All Star . Die meisten nennen diese Sneaker einfach nur Chucks, und als ichsie zum ersten Mal zu Gesicht gekriegt habe, dachte ich gleich: Hey, wie irre, da steht an der Seite mein Name drauf, einfach so! Nur hat sich das ziemlich bald zu einer echten Obsession ausgewachsen, wie alles in meinem Leben.
    Als ich Mom vor ein paar Jahren zum ersten Mal damit kam, dass ich Chucks will, war sie hin und weg. Bevor mein bester Freund Steve eine Chuck-Taylor-Biografie in der Schulbücherei ausgegraben hat, habe ich mir keine großen Gedanken über die Dinger gemacht. Aber beim Lesen war mir schon nach ein paar Seiten klar: Chucks zu tragen ist meine Bestimmung. Chuck Taylor, dieser Typ in Grease , Kurt Cobain und dann wieder Chuck Taylor. Ich liebe Symmetrie. Macht mir ein gutes Gefühl im Gehirn.
    Als Mom kapierte, dass die Nachfolger meiner ausgelatschten Turnschuhe für 85 Dollar welche für 50 Dollar sein sollen, fand sie das überzeugend. Sie hat mir sogar gleich mehrere Paare auf einmal gekauft   – alle einfarbig, weil, na ja, keine Ahnung   … die wirken irgendwie sauberer, finde ich. Meine Mom wusste von meinem Faible für Chucks und war gleich dabei. Sie unterstützt jeden Fimmel, den ich habe, solange es nicht um Drogen geht. (Ein Joint, an dem reihum alle ziehen? Ohne mich!) Allerdings gab’s da nie besonders viel zu unterstützen. Wenn dein einziger Sohn einen Knall hat und öfter am Herd steht als du, würdest du wohl alles tun, um ihn glücklich zu machen. Auf der Basis habe ich jedenfalls eine hübsche kleine Converse-Sammlung zusammengekriegt.
    Trotzdem, auch bei Sneakern für 50 Dollar hört der Spaß irgendwann auf und Mom wollte mir keine mehr kaufen, also musste ich mein Sparkonto plündern. Da war Geld drauf von Wertpapieren, die bei meiner Geburt angelegt worden sind, außerdem ein großer Teil von dem, was unter der Bezeichnung Taschengeld einmal in der Woche bei mir landet. Allein davon konnte ich mir jeden Monat ein neues Paar kaufen und bald hatte ich tonnenweise Chucks in meinem Wandschrank   – in jeder lieferbaren Variante, solange sie nureinfarbig waren. Und dann wurde das Ganze irgendwann ziemlich schräg.
    Das Ding ist, ich bin zwar nicht schüchtern, aber es interessiert sich einfach kein Schwein dafür, was ich sage (abgesehen von Steve und meiner Mutter, aber die zählen nicht). Deshalb bin ich still. Dabei wäre ich lieber schüchtern. Schüchtern und still, das ist nicht das Gleiche. Schüchtern bedeutet, du traust dich nicht, was zu sagen. Still bedeutet, du
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