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Chucks Welt

Chucks Welt

Titel: Chucks Welt
Autoren: Aaron Karo
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und endet mit der Tatsache, dass ich die Schuhe eines Typen trage, der diese Sportart vor achtzig Jahren gespielt hat.
    »Wichtiges Spiel?«, erkundige ich mich.
    »Wichtiger geht’s nicht für diese Zeit im Jahr«, sagt Dad.
    Er merkt gleich, dass ich damit nichts anfangen kann.
    »Die Play-offs sind erst ab April.«
    »Aha«, sage ich, »verstehe.«
    Dad beäugt meine Chucks. Sie sind rosa. Bevor ich zu Steve gegangen bin, war mir langweilig. Rosa bedeutet in meinem System Langeweile, also trage ich meine rosa Chucks ziemlich oft. Das kommt bei Dad nicht gut an. Er hat sich zwar noch nie dazu geäußert, aber wahrscheinlich hält er mich für schwul. Wen wundert’s, wo ich bisher nicht mal ein Mädchen als Kumpel gehabt habe, von einer Freundin ganz zu schweigen. Und dann trage ich auch noch rosa Turnschuhe. Kann man ihm also fast nicht vorwerfen, wenn er so was denkt. Aber ich bin definitiv nicht schwul. Nur ein Volltrottel, was Mädchen angeht. Und wirklich wahnsinnig oft gelangweilt.
    »Bald wird der Transfermarkt geschlossen, die Jungs kämpfen um die besten Jobs«, sagt Dad.
    Ich nicke zustimmend, als ob ich verstehe, wovon er redet.
    »Übrigens wollen Mom und ich vorm Essen noch was mit dir bereden.«
    »Worum geht’s denn?«, frage ich.
    »Das sagt sie dir dann. Nichts Großartiges. Wann fängt die Schule wieder an?«
    Dad wirkt immer irgendwie entnervt, wenn ich schulfrei habe, was ich ziemlich komisch finde. Manchmal würde ich am liebsten sagen: »Hör mal, Dad, ich bin siebzehn und du siebenundvierzig. Was erwartest du?«
    »Am Montag. Weißt du doch.«
    »Kommen mir lang vor, diese Ferien. Ich muss jedenfalls die ganze Zeit arbeiten.«
    Dad ist Steuerberater. Mir will nicht in den Kopf, dass er in seinem Job den ganzen Tag Mathe macht. Auch noch für andere Leute. Das klingt nicht nur nach einer öden Arbeit, sondern ist noch eine Gemeinsamkeit weniger zwischen uns. Damit es keine Missverständnisse gibt, ich bin gut in Mathe. Ich habe den Fortgeschrittenenkurs in Analysis belegt, viel höher geht’s nicht. Wenn ich bei den Prüfungen im Mai gut abschneide, kann ich mir den Kurs sogar fürs Studium anrechnen lassen. Trotzdem finde ich Analysis furchtbar. Die Firma von Steves Vater stellt Kunststoffhüllen für Videospiele her. Das ist immerhin halbwegs cool.
    »Du musst diese Woche arbeiten, weil du alt bist, Dad!«, sage ich im Spaß. Trotz der gewaltigen Unterschiede blödeln Dad und ich ziemlich viel miteinander herum und das finde ich gut. Er grinst.
    »Aber nicht zu alt, um rüberzukommen und dir eine zu scheuern«, sagt er, auch im Spaß.
    Gerade als das Basketballspiel anfängt, schreit Mom von der Küche her in voller Lautstärke: »Chuck! Ray!« Dabei ist die Küche gar nicht weit weg vom Wohnzimmer.
    »Gleich!«, rufen wir einstimmig und genauso laut wie Mom. Aber wir kommen nicht gleich, sondern lassen sie ein paar Minuten warten. Dad hat die Hoffnung, noch den ersten Sprungball mitzukriegen. Mir fällt ein, dass ich auf dem Heimweg einen Zweig angefasst habe, also gehe ich mir die Hände waschen.

A ls ich endlich in die Küche trotte, hockt Dad immer noch vorm Fernseher. Mom hat gefüllte Muschelnudeln gemacht, eins von meinen Lieblingsgerichten (auch deshalb, weil ich da nichts mit den Fingern anfassen muss). Trotzdem ist das ungewöhnlich und so langsam werde ich misstrauisch.
    »Wo ist Dad?«, will Mom wissen.
    »Guckt noch Basketball. Und was ist mit Beth?«
    Meine Schwester ist im zweiten Highschooljahr, was bedeutet, dass wir seit eineinhalb Jahren auf die gleiche Schule gehen. Ich wette, bei einer Umfrage unter allen 1600 Schülern würden 99 Prozent Beth kennen und nur ein Prozent mich. Das mit den 99 Prozent ist eine eher konservative Schätzung, die unterstellt, dass man die circa sechzehn Mathegenies weglassen muss, die nur miteinander reden. Mein eines Prozent ist dagegen eher großzügig gerechnet und beruht darauf, dass mich ein paar Leute kennen, weil ich Beths großer Bruder bin. Für diesen deutlichen Unterschied gibt es einen Grund. Genau genommen zwei Gründe. Ich sage das nur ein einziges Mal und werde danach garantiert nie mehr darüber reden. Beth hat große Titten. Themenwechsel.
    »In ihrem Zimmer«, antwortet Mom.
    Mir ist klar, was Beth dort tut. Das, was alle beliebten Mädchen tun. Alle fünfzehn Sekunden schreibt jemand irgendwas auf ihre Facebook-Pinnwand. Auf meine Freundschaftsanfrage hat sie bis jetzt nicht mal geantwortet.
    »Rufst du deinen Vater noch
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