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Chucks Welt

Chucks Welt

Titel: Chucks Welt
Autoren: Aaron Karo
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mal?«, bittet Mom.
    »DAD!« , brülle ich.
    Dad behauptet immer, dass er nur in der Theorie das Familienoberhaupt ist und in Wirklichkeit Mom bestimmt, wo’s langgeht. Und da hat er recht. Mom ist Lehrerin   – zum Glück Grundschullehrerin, und als ich jünger war, hat sie noch nicht gearbeitet. Ich glaube, ich wäre vor lauter Peinlichkeit gestorben, wenn ich sie als Lehrerin gehabt hätte. Ich finde ja, sie hätte besser zur Kripo gehen sollen. Sie stellt nämlich andauernd Fragen.
    »Wie war’s bei Steve?«
    »Ganz okay.«
    »Was habt ihr gemacht?«
    »Nichts.«
    »Nichts?«
    »Videospiele und so.«
    »Was für ein Spiel denn?«
    »Ist doch egal, Mom.«
    Mit Mom ist es manchmal wie in diesem Film Tron : Immer wenn sie nicht mehr weiterkommt, springt sie einfach woandershin.
    »Ist es okay für dich, dass die Schule wieder anfängt?«
    »Nein.«
    »Bist du nicht aufgeregt, dass du bald deinen Abschluss machst?«
    »Bisschen.«
    »Du solltest dir mal überlegen, was du noch fürs Studentenwohnheim brauchst.«
    »Okay.«
    »Ich dachte, wir könnten eine Party machen, um deinen Abschluss zu feiern, hinten im Garten. Was hältst du davon?«
    »Weiß nicht, vielleicht.«
    Ich setze mich und nehme mir was zu trinken. Vor ein paar Monaten habe ich Mom erzählt, dass ich den Wikipedia-Artikel über Zwangsstörungen gelesen habe. Im Nachhinein betrachtet war das ein Fehler. Mom und Dad wissen zwar Bescheid über ein paar von meinen Ritualen und Ticks, aber ich glaube, bisher haben sie das unter den seltsamen Angewohnheiten verbucht, die für Teenager nun mal typisch sind, oder sie haben den Ernst der Lage schlichtweg verdrängt. Aber kaum hatte ich die Sprache darauf gebracht, erzählte mir Mom, in ihrer Familie hätte es schon öfter Zwangsstörungen gegeben, auch ihr Vater hätte welche gehabt und sie hätte an sich selbst auch ein paar Symptome in die Richtung entdeckt, als sie in meinem Alter war, blablabla. Deshalb hat sich Mom in den letzten Monaten nonstop Sorgen um mich gemacht. Das ist mir nicht nur unangenehm, es provoziert auch immer neue Fragen. Mom weiß genau, dass bei einer Highschool-Abschlussparty keiner käme außer mir, Steve, Mom und Dad und deren Freunden. Wenn Mom sagt: Ich dachte, wir könnten eine Party machen, um deinen Abschluss zu feiern, bedeutet das in Klartext: Wärst du nicht so gestört, hättest du mehr Freunde und wir könnten alle zu einer wahnsinnstollen Party einladen. Aber so, wie die Dinge liegen, gibt es keine Party. Sie macht sich Sorgen. Die ganze Zeit. Und sie kennt kein Erbarmen.
    »Sind die Turnschuhe neu?«, fragt sie.
    »Nein, die hast du schon tausendmal gesehen.«
    »Na ja, sie wirken irgendwie anders.«
    »Das sind genau die gleichen Schuhe wie alle andern, die ich habe. Herrgott noch mal, Mom.«
    Schon wieder steht sie vor einer Wand und kommt nicht weiter. Mom macht einen Schritt auf mich zu und küsst mich auf die Stirn. Krise entschärft! Dann brüllt sie mir ins Ohr: »Ray! Komm endlich essen!«

A uf gar keinen Fall«, sage ich. »Kommt nicht infrage!« Mein Gesicht wird rot und heiß, ich habe Angst, gleich loszuheulen, was totaler Mist ist, denn wenn ich die Vorstellung erst mal im Kopf habe, wird es noch schwieriger, nicht zu heulen.
    Thema des Gesprächs mit meinen Eltern, in dem es laut Dad angeblich um »nichts Großartiges« gehen sollte, ist die Tatsache, dass sie mich zu einem Irrenarzt schicken wollen.
    »Wir machen uns eben Sorgen um dich«, erklärt mir Mom, obwohl ich das längst weiß. »Wir haben den Eindruck, deine Symptome werden schlimmer. Wir möchten, dass du mit jemandem redest. Wer weiß, vielleicht bist du ja depressiv?«
    »Mir geht’s gut, Mom.«
    »Tut es nicht. Wir möchten dir doch nur helfen«, sagt sie.
    »Dad!«, flehe ich.
    Auch in den Fällen, wo die beiden sich zusammentun und einer Meinung sind, kann man Dad leichter knacken. Doch im Moment geht er auf Nummer sicher.
    »Hör deiner Mutter zu.«
    Nun ist es leider so, dass meine Mom meistens recht hat. Wenn ich mir überlege, was sie in den letzten Jahren gesagt und welcheRatschläge sie mir gegeben hat, fällt mir keine einzige Gelegenheit ein, bei der sie falschgelegen hätte. Als ich neulich mit Steve ins Kino gegangen bin und ihr gesagt habe, wir wollten um halb acht aufbrechen, meinte sie, viertel nach sieben wäre besser, damit wir noch Karten kriegen. Und am Ende war direkt nach uns alles ausverkauft. Bei welcher Uni ich mich bewerben soll, welcher Laptop sich am besten
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