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Chronos

Titel: Chronos
Autoren: Robert Charles Wilson
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heranzukommen.
    Er stand auf und wich nach links aus, rannte auf einem Zickzackkurs, der ihn zur Seitenfront des Hauses und weiter zur Vorderseite führen würde, zu einem Fenster oder einer Tür. Als er kurz stehen blieb, feuerte der Eindringling seine Waffe ab.
    Es war eine primitive, aber absolut tödliche Strahlenwaffe, ein typisches Instrument ihrer Zeit. Ben erinnerte sich, Fotos von verbrannten und bis zur Unkenntlichkeit zerfleischten Körpern auf einem Schlachtfeld weit in der Zukunft gesehen zu haben. Der Strahl versengte die Luft nur wenige Zentimeter von seinem Kopf entfernt. Er glaubte, die grelle, säuerliche Ionisation schmecken zu können.
    Dennoch, die richtige Rüstung hätte ihn geschützt. Und so etwas besaß er – im Haus.
    Dieser Gedanke beherrschte ihn. Doch das Haus war zu weit entfernt, und die Wiese war ein ungeschütztes Todesfeld. Er sah, wie der Räuber sich duckte, um zu zielen. Er ließ sich fallen und machte eine Rolle vorwärts – zu spät. Der Strahl schnitt in sein linkes Bein und durchtrennte es dicht unterhalb des Knies.
    Er spürte einen kurzen, aber furchtbaren Schmerz ... dann nur noch Taubheit, als die beschädigten Nerven sich selbst ausschalteten. Angeschlagen, verkrüppelt, stützte Ben sich auf einen Birkenstumpf, der aus dem Gras ragte. Schon seit Jahren hatte er immer wieder daran gedacht, den Baumstumpf auszugraben. Das abgetrennte Bein – nun ein kaum identifizierbarer Zylinder toten Fleisches – rollte an ihm vorbei. Er verspürte den absurden Wunsch, es zu ergreifen und festzuhalten. Aber das Bein war verdorben – nicht mehr wiederherstellbar. Er brauchte wohl ein neues.
    Er fühlte eine kurze Benommenheit, als offene Arterien sich schlossen. Der aus der geschwärzten Wunde pulsierende Blutstrom reduzierte sich zu einem Tröpfeln.
    Kluge Programme waren in die freien Bereiche seiner DNS eingefügt worden. Für Ben war dies keine tödliche Verletzung. Eine ernsthafte Behinderung war es jedoch ganz gewiss.
    Er war hier hilflos. Der Birkenstumpf bot überhaupt keine Deckung, und der Eindringling traf Vorbereitungen für einen weiteren Schuss. Ben humpelte vorwärts, drückte seinen blutigen Kniestumpf in die Erde, hüpfte zwei Schritte weit und rollte sich dann wie ein Betrunkener weiter. Er hätte damit Erfolg haben können, wenn der Räuber nach Sicht gezielt hätte. Doch die Waffe war mit einer Zielsuchvorrichtung ausgestattet, und der Strahl traf Bens Körper zweimal. Zuerst schnitt er seine rechte Hand am Handgelenk ab, und dann brannte er sich tief in seine Bauchhöhle. Blut und Flammen tanzten über sein Hemd, das er bei Sears in der Harbor Mall gekauft hatte.
    Nun begann Ben an den Tod zu denken.
    Wahrscheinlich war er unvermeidbar. Ihm war klar, wie ernsthaft er beschädigt war. Wieder wallte Benommenheit in ihm hoch, als wichtige Arterien sich verschlossen oder ausdehnten in dem vergeblichen Bemühen, den Blutdruck zu erhalten. Ein taubes Gefühl stieg von seiner Hüfte bis zu seinem Schlüsselbein hoch. Es war, als ließe er sich allmählich in ein warmes Bad gleiten. Er lag im Gras, wohin sein eigener Schwung ihn befördert hatte, konnte seine Gliedmaßen nicht bewegen und drohte ohnmächtig zu werden.
    Er drehte den Kopf.
    Der Räuber stand über ihm.
    Seine Rüstung war goldglänzend und blendete ihn im Sonnenlicht.
    Der Eindringling blickte auf Ben mit einem Ausdruck herab, der so gleichgültig, so emotionslos war, dass er totale Überraschung auslöste. Es ist ihm fast gleichgültig, dass er mich getötet hat, dachte Ben.
    Der Räuber brachte seine Handgelenkwaffe erneut in Anschlag und zielte diesmal auf Bens Kopf.
    Die Waffe war eher unauffällig und in eine seltsam insektenhaft anmutende Konstruktion der Rüstung integriert. Ben blickte an ihr vorbei, sah die Andeutung eines Lächelns.
    Der Räuber feuerte seine Waffe ab.
    Der Kopf des Zeitreisenden verschwand fast vollständig in einer Dampfwolke aus Knochen und Fleisch.
    Billy Gargullo betrachtete die Leiche des Zeitreisenden mit plötzlicher Abscheu. Dies war kein Feind mehr, sondern etwas, was weggeschafft werden musste. Eine schmutzige Angelegenheit.
    Er ergriff den heilen Arm der Leiche und begann, sie in das Wäldchen hinter dem Haus zu schleifen. Es war ein langwieriges, schweißtreibendes Unterfangen. Die Luft war kühl, aber die Sonne brannte gnadenlos herab. Billy folgte einem schmalen Pfad mehrere Meter weit und fühlte sich von der Üppigkeit des Waldes bedrängt. Er blieb dort
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