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Chronos

Titel: Chronos
Autoren: Robert Charles Wilson
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stehen, wo der Pfad nach links abbog. Rechts von ihm befand sich eine Lichtung. Auf dieser Lichtung stand ein Bretterschuppen, von Efeu überwuchert und seit Jahren nicht mehr benutzt.
    Er öffnete vorsichtig die Tür des Schuppens. Ein Scharnier fehlte, und die Tür sackte schief zur Seite weg. Sonnenstrahlen drangen in das muffige Innere. Sie fielen auf Stapel halb vermoderter Zeitungen, ein paar verrostete Gartengeräte, eine im Licht tanzende Mückenwolke.
    Billy schob und zerrte den Zeitreisenden – das versengte Fleisch seines Körpers – in den säuerlich und nach Erde riechenden Schatten der Hütte. Seine Aktion bewirkte, dass ein Stapel Zeitungen über die Leiche kippte. Die Zeitungen fielen mit einem klatschenden Geräusch nach unten, und Billy verzog bei dem plötzlich aufwallenden Modergestank angeekelt das Gesicht.
    Er trat durch die Tür nach draußen. Er war zufrieden. Vermutlich würde die Leiche gefunden, aber sie würde zumindest für eine Weile Unruhe stiften. Er hatte nicht vor, sich an diesem Ort lange aufzuhalten.
    Er stützte sich mit einer Hand gegen die von der Sonne angewärmte Wand des Schuppens.
    Ein Geräusch erklang hinter ihm, ganz schwach, aber beunruhigend – ein Rascheln und Schnattern in der Dunkelheit.
    Mäuse, dachte Billy.
    Ratten.
    Nun, sie können ihn haben.
    Er schloss die Tür.
    Billys erster Schuss hatte das Päckchen Purpurwindensamen aus der Hand des Zeitreisenden geschlagen.
    Ein Teil des Energiestrahls schnitt in das Päckchen und verstreute seinen Inhalt über die Wiese. Das verkohlte Papier – die Aufschrift Himmelblau war noch immer in braunen Lettern lesbar – segelte nicht weit von dem Birkenstumpf entfernt, wo der Zeitreisende sein Bein verloren hatte, zu Boden. Die Samenkörner wurden auf einer weiten Fläche zwischen dem Baumstumpf und dem Zaun verstreut.
    Die meisten Körner wurden von Vögeln und Insekten verspeist. Einige wenige trieben aus, bewässert vom Regen der darauffolgenden Nacht, wurzelten in der Wiese und wurden vom wuchernden Gras erstickt, ehe die Schösslinge die ersten Sonnenstrahlen sahen.
    Vier Pflänzchen sprossen in der fruchtbaren Erde neben dem Holzzaun.
    Drei hielten sich bis zum Sommer. Die wenigen Blüten, die sie hervorbrachten, entfalteten ihre Pracht im August, aber es war niemand da, der sie bewunderte. Das Gras war ungehindert in die Höhe geschossen, und das Haus war leer.
    Es sollte noch für einige Jahre leer stehen.

 
    TEIL EINS
    DIE TÜR
IN DER WAND
     
    1
    Es war ein bescheidenes Holzhaus mit drei Zimmern. Das Kellergeschoss lag etwas tiefer, als es in diesem Teil des Landes üblich war. Das Haus selbst war gemütlich, mit Efeu überwuchert, von dichten Büschen umgeben und kilometerweit von der nächsten Stadt entfernt.
    Es stehe schon seit Jahren leer, sagte der Immobilienmakler, und das Grundstück grenze an einen kleinen Kiefernwald mit einem Sumpf. »Offen gesagt, betrachte ich das Ganze nicht als ein besonders lohnendes Objekt.«
    Tom Winter war anderer Meinung.
    Vielleicht lag es an seiner Stimmung, aber das Anwesen übte auf Anhieb einen großen Reiz auf ihn aus. Paradoxerweise gefiel es ihm wegen seiner Nachteile: seiner einsamen Lage, seiner Abgeschiedenheit in diesem feuchten Nadelwald – seiner offensichtlichen Reizlosigkeit, ähnlich der offensichtlichen Hässlichkeit einer Bulldogge. Er fragte sich, ob er, wenn er dort lebte, irgendwann dem Haus ähnlich wurde, so wie Tierhalter sich angeblich ihren Lieblingen anglichen. Er wäre unauffällig. Allein. Vielleicht auch ein wenig verwildert.
    Aber so, nahm Tom an, erschien er Doug Archer, dem Immobilienmakler, sicher nicht. Archer trug sein blaues Bell-Immobilien-Jackett, doch die saubere verwaschene Levi's und seine zerzausten Haare verrieten seine Herkunft. Familie in der Gegend ansässig, vielleicht sogar immer noch in der Wildnis lebend. Dazu erzogen, Hosen mit Bügelfalten voller Misstrauen zu begegnen, wie Tom sie zufälligerweise trug. Aber der äußere Anschein konnte auch in die Irre führen. Tom hielt inne, als sie sich der schlichten Haustür aus glattem Kiefernholz näherten. »Hat das hier nicht früher mal den Simmons gehört?«
    Archer schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. Deren Anwesen liegt ein kleines Stück den Berg hinauf. Peggy Simmons wohnt noch immer dort – sie ist fast achtzig.« Er hob eine Augenbraue. »Sie kennen Peggy Simmons?«
    »Ich habe früher immer Lebensmittel in die Post Road geliefert. Manchmal bin ich auch hier
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