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Chronos

Titel: Chronos
Autoren: Robert Charles Wilson
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vorbeigekommen. Aber das ist schon lange her.«
    »Ist das Ihr Ernst? Sagten Sie nicht ...«
    »Ich habe fast zwölf Jahre lang in Seattle gelebt.«
    »Haben Sie irgendwas mit Tony Winter zu tun, oben bei Arbutus Ford?«
    »Er ist mein Bruder«, sagte Tom.
    »Hey! Zum Teufel! Das ändert wirklich alles!«
    In der Stadt, dachte Tom, lernt man beizeiten, nicht so freundlich und einladend zu lächeln.
    Archer schob den Schlüssel ins Schloss. »Wir haben einen Mann hierhergeschickt, als das Anwesen in unser Angebot aufgenommen wurde. Er sagte, es sei drinnen in einigermaßen gutem Zustand, aber ich nehme an, nachdem es so lange verrammelt war – nun, betrachten Sie alles unter diesem Vorbehalt.«
    Im Immobilienjargon, dachte Tom, heißt das, es ist absolut unbewohnbar.
    Aber die Tür schwang an Scharnieren auf, die sich frisch geölt anfühlten, und gab den Blick auf einen hellbeigen, sauberen Teppichboden frei.
    »Mich laust der Affe«, stieß Archer hervor.
    Tom trat über die Schwelle. Er betätigte den Wandschalter, und eine Deckenlampe flammte auf, aber sie war eigentlich gar nicht nötig. Ein hohes, nach Süden gerichtetes Fenster ließ ausreichend wässrig-fahlen Sonnenschein herein. Das Haus war unter Berücksichtigung der klimatischen Verhältnisse gebaut worden. Es wäre noch nicht einmal bei Regenwetter düster.
    Rechts ging der Wohnraum in eine Küche über. Auf der linken Seite verband ein Korridor die Zimmer und das Bad miteinander.
    Eine Treppe führte in den Keller hinunter.
    »Mich laust der Affe«, wiederholte Archer. »Vielleicht habe ich mich bei diesem Haus gründlich geirrt.«
    Der Raum, in den sie blickten, war peinlich sauber, die Einrichtung alt, aber makellos. Eine mechanische Kaminuhr tickte – wer mochte sie aufgezogen haben? – unter einem Picassodruck. Etwas kitschig, dachte Tom, der Couchtisch mit Glasplatte, das niedrige Sofa in dänischem Möbeldesign. Der Stil der Sechzigerjahre, aber tadellos erhalten. Das Ganze hätte aus einer Zeitkapsel stammen können.
    »Sehr gepflegt«, sagte er.
    »Das kann man wohl sagen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es überhaupt nicht gepflegt wurde, soweit ich weiß.«
    »Wer ist der Eigentümer?«
    »Das Anwesen wurde schon vor langer Zeit vom Staat versteigert. Eine Holdinggesellschaft in Seattle hat es gekauft, hatte jedoch nichts weiter damit gemacht. Während des letzten Jahres haben sie hier eine Reihe Grundstücke verkauft.« Er schüttelte den Kopf. »Um ganz ehrlich zu sein, das Haus war völlig heruntergekommen. Wir haben einen Mann rausgeschickt, um alles zu begutachten, das Dach und das Fundament und so weiter, aber er hat nie erwähnt ... Ich meine, wir nahmen an, dass diese alten Holzhäuser hier draußen ...« Er vergrub die Hände in den Taschen und runzelte die Stirn. »Der Strom wurde erst letzte Woche nach Jahren wieder eingeschaltet.«
    Für wie viele kalte Winter und heiße Sommer war dieser Raum verriegelt und verrammelt gewesen? Tom hielt inne und fuhr mit dem Finger über einen Endpfosten, wo die Treppe sich in der Dunkelheit verlor. Sein Finger blieb völlig sauber. Das Holz sah geölt und poliert aus. »Waren hier die Heinzelmännchen am Werk?«
    Archer lachte nicht. »Jack Shackley ist dafür der zuständige Agent. Vielleicht war er hier, um alles auf Vordermann zu bringen. Auf jeden Fall hat hier jemand ein Wunder vollbracht. Im Angebot ist die Rede von Haus und Einrichtung, und es sieht so aus, als bekämen Sie hier ein paar schöne Stücke, wenn auch schon ein wenig veraltet. Sollen wir uns mal umsehen?«
    »Ich denke schon.«
    Tom ging zweimal durch das Haus – einmal mit Archer und einmal, »um alles auf sich wirken zu lassen«, während Archer seine Visitenkarte auf die Frühstücksbar legte und nach draußen ging, um eine Zigarette zu rauchen. Die Türen der Küchenschränke öffneten sich, ohne zu klemmen, und gaben den Blick auf ihr sauberes und einheitlich leeres Innenleben frei. Der Wäscheschrank war aus Kiefernholz, duftete würzig und war ebenfalls leer. Das Gleiche traf auch auf die Zimmer zu, nur im größten standen ein einfaches Bett, eine Schubladenkommode und ein Spiegel – alles ohne ein Staubkörnchen. Im Kellergeschoss sah man durch hohe Fenster hinaus auf die Wiese hinter dem Haus. Die Fenster waren mit weißen Rollos versehen, die durch das Sonnenlicht brüchig und gelb geworden waren. Die Zeit hinterlässt hier also doch ihre Spuren, dachte er.
    Das Haus war solide, bewohnbar und sauber. Die
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