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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Friedrich-Wilhelm-Universität ließ den Brief durch seine Finger gleiten. Er prüfte die Unterschrift, las einzelne Zeilen zweimal und verglich das Dokument mit einem älteren, das neben ihm auf dem Tisch lag. Als er es sinken ließ und sich Humboldt zuwendete, lag ein zufriedener Ausdruck auf seinem Gesicht.
    »Wie es aussieht, habe ich mich an den Richtigen gewendet«, sagte er. »Gouverneur Poortvliet ist voll des Lobes für Sie. Laut dieses Schreibens konnten Sie das Problem auf seiner Insel lösen. Die Übergriffe haben aufgehört und die Menschen gehen wieder ihrer gewohnten Arbeit nach. Der Außenminister wurde bereits informiert und hat mir seine Glückwünsche zukommen lassen.«
    »Ich danke Ihnen.« Humboldt saß in seinen langen Mantel gehüllt, die Hände auf seinen Gehstock gestützt. »Es freut mich, dass alle so zufrieden mit unserer Arbeit sind.«
    Sprengler hob die Hand. »Danken Sie mir nicht zu früh. Ich muss natürlich noch das abschließende Urteil unseres geschätzten Kollegen Professor Lilienkron abwarten. Sein Bericht wird den Ausschlag geben.«
    Oskars Blick wanderte zu dem Gelehrten hinüber. Lilienkron hatte seinen besten Anzug angezogen und sich eine neue Mütze aufgesetzt. Die letzte hatte doch unter den Anstrengungen der Reise zu sehr gelitten. Er hatte sie Wilma zum Geschenk gemacht, die sie in ihrem Körbchen aufbewahrte, wo sie ihren Schatz wie einen Augapfel hütete.
    »Meinen schriftlichen Bericht haben Sie vorliegen.« Lilienkron deutete auf einen Aktenordner, der rechts auf Sprenglers Tisch lag. »Ich habe darin alle Vorkommnisse und Entwicklungen während unserer Reise zusammengetragen. Einige der Ereignisse musste ich nach Beendigung unseres Abenteuers aus dem Gedächtnis rekonstruieren, weil es mir zu dem betreffenden Zeitpunkt unmöglich war, Notizen oder Zeichnungen anzufertigen. Doch mithilfe meiner geschätzten Mitreisenden war es mir möglich, die Lücken zu schließen. Was ich Ihnen vorgelegt habe, ist ein detaillierter Bericht über unsere Reise ins Innere der Erde.«
    Sprengler nickte und strich mit seiner Hand über die Mappe. »Um ehrlich zu sein, ich kann es kaum abwarten, Ihre Aufzeichnungen zu studieren. Doch zuvor möchte ich Sie um eine knappe Bewertung der Leistungen Carl Friedrich Donhausers und seiner Mitstreiter bitten. Natürlich unter besonderer Berücksichtigung der Bedingungen, die wir zu Beginn des Auftrags ausgehandelt hatten.«
    Lilienkron räusperte sich. Ein schmales Lächeln huschte über sein Gesicht, das aber sofort wieder verschwand.
    »Unsere Reise begann unter keinem guten Stern«, sagte er. »Sie werden sich an meine anfängliche Skepsis erinnern.«
    Skepsis war maßlos untertrieben, dachte Oskar. Er erinnerte sich noch gut an die unversöhnlichen Blicke, mit denen die beiden Wissenschaftler sich gegenübergestanden hatten.
    »Um ehrlich zu sein, die Aussicht, einen Kollegen als Leiter einer Expedition zu erdulden, mit dem ich seit Jahren im Streit liege, behagte mit überhaupt nicht«, fuhr Lilienkron fort. »Wären da nicht die Schuldgefühle und das dringende Bedürfnis gewesen, dem Rätsel der Steinernen auf den Grund zu gehen, ich hätte mich schlichtweg geweigert. Doch so fühlte ich mich in der Pflicht. Ich fügte mich also in mein Schicksal und beschloss, die Vorkommnisse aus der gebührenden Distanz zu beobachten. Doch es dauerte nicht lange, bis mich die Art, mit der Herr Donhauser die Probleme anging, zu faszinieren begann. Trotz aller Skepsis begann sich meine Ablehnung langsam in Bewunderung zu verwandeln.«
    »Wenn das Ihre Meinung ist, dann haben Sie es aber gut vor mir verborgen, Lilienkron«, sagte Humboldt lachend.
    Der Gelehrte rückte seine Mütze zurecht. »Nur nicht so voreilig. Wir sind auch jetzt noch nicht immer einer Meinung, aber das Ergebnis gibt Ihnen recht. Ich bezweifle stark, dass das Abenteuer einen ähnlich zufriedenstellenden Ausgang genommen hätte, wenn ich der Führer der Expedition gewesen wäre. Auch dass ich mich zwischendurch einfach davongestohlen habe, bitte ich zu entschuldigen. Ich weiß, dass mein Verhalten falsch war, und möchte Ihnen sagen, dass es mir von Herzen leidtut.« Er räusperte sich. »Mein Resümee muss also lauten, dass meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern bei Weitem übertroffen wurden. Wir standen einer Gefahr gegenüber, die ich einfach unterschätzt hatte und die ich allein nie hätte bezwingen können. Dass wir immer noch leben, haben wir ausschließlich Ihnen zu
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