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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Details mit speziellen Vergrößerungsgläsern. Dann, als die Spannung im Saal schier unerträglich wurde, richteten sie sich auf und blickten einander an. Der Alte sah aus, als würde er gleich einen Herzinfarkt bekommen. Er hatte die Augen weit aufgerissen und sein Mund war geöffnet.
    Er rang nach Luft.
    Endlich, dachte Oskar. Jetzt werden sie gleich um Verzeihung bitten und Humboldt in allen Ehren in die Akademie aufnehmen, so wie es ihm zusteht.
    Er hatte den Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, als schallendes Gelächter den Saal durchzog. Der Alte schlug mit der Hand auf den Tisch und meckerte wie eine Ziege. Ein Speichelfaden tropfte aus seinem Mundwinkel. Jetzt stimmten auch die beiden anderen mit ein. Sie lachten, bis ihnen die Tränen die Wangen herunterliefen.
    »Herr Donhauser!«, stieß der Vorsitzende unter Keuchen hervor und reichte Humboldt seine Platte zurück. »Sie lassen wirklich nichts unversucht.« Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Ihre Hartnäckigkeit ist bewundernswert. Aber solch eine billige Täuschung … das hätte ich nicht mal Ihnen zugetraut. Was für eine armselige Fälschung! Eine solche Arbeit können Sie bei jedem Kupferstecher in der Stadt anfertigen lassen.«
    »Diese Platte ist authentisch und das wissen Sie. Es ist unmöglich, so etwas fälschen zu lassen.«
    »Unmöglich ist nur Ihr Einfallsreichtum, Herr Donhauser. Nicht, dass wir uns missverstehen: Ich glaube durchaus, dass Sie in Südamerika waren. Ihre Kostüme und Mitbringsel sind etwas, was man dort sicher auf jedem Eingeborenenmarkt kaufen kann. Aber die Behauptung, eine Stadt in den Wolken gefunden zu haben … Ich bitte Sie. Nehmen wir doch nur mal Ihre Zeugen …« Er wedelte mit der Hand nach hinten. »Ein Junge, ein Mädchen und eine schwarze Frau. Ja, was denn noch? Sie sollten zum Jahrmarkt gehen. Leute mit Ihren Fähigkeiten werden im Schaustellergewerbe immer gesucht.«
    Humboldt ging nach vorn und nahm die Platte an sich. Er wickelte sie sorgfältig ein, dann steckte er sie zurück in seine Innentasche.
    »Dann wollen Sie meinen Antrag zur Einrichtung des Studienfachs der Luftfahrttechnik also nicht bewilligen?«
    Oskar war verblüfft, dass der Forscher trotz der fortwährenden Beleidigungen so gelassen blieb.
    »Wie bitte?« Der Alte hatte sich endlich beruhigt.
    »Ich glaube, Sie haben mich recht gut verstanden.«
    Argwohn blitzte in den Augen des Vorsitzenden auf. »Ob wir …? Nein, zum Donnerwetter. Natürlich nicht. Luftfahrttechnik? Das ist doch nur etwas für Träumer und Hochstapler. Für Luftikusse, um beim Thema zu bleiben.« Er fing an, rot anzulaufen. »Was glauben Sie denn, wo Sie hier sind? Wenn wir jedem dahergelaufenen Taschenspieler eine Mark für seine billigen Tricks geben würden, dann wäre dieses ehrwürdige Institut bald bankrott, Herr Donhauser. Sie befinden sich hier in einem Haus der Wissenschaft! Und jetzt machen Sie, dass Sie von hier wegkommen, mitsamt Ihrem Kopf voller krauser Ideen und Ihrem billigen Kupferstich.«
    Er hatte sich auf seine dünnen Beinchen erhoben und winkte in Richtung eines Saaldieners. Der Mann eilte herbei, um den Vortragenden zu entfernen. Mit energischem Griff packte er Humboldt an der Schulter.
    »WAGEN SIE ES NICHT, MICH ANZUFASSEN!«
    Der Diener taumelte einen Schritt zurück. Humboldts Stimme klang, als spräche ein Gott. Kein Sterblicher konnte so laut sprechen.
    Die Ratsmitglieder hatten Panik in den Augen. Die Haut des Alten hatte jegliche Farbe verloren. Mit Furcht im Gesicht wich er zurück, streckte die Arme aus, dann fiel er hinterrücks auf seinen Stuhl.
    »DIESER TAG WIRD IHNEN NOCH LEIDTUN, DAS VERSPRECHE ICH IHNEN!«, donnerte Humboldt und sandte einen vernichtenden Blick hinunter auf die drei verängstigten Wissenschaftler. »DIES IST DER TAG, AN DEM EINE NEUE ÄRA BEGINNT. DENKEN SIE AN MEINE WORTE.«
    Er drehte er sich um, packte seine Sachen und verließ das Podium.
    Oskar wusste nicht, wie ihm geschah. Um ihn herum hatte sich der Saal in einen Hexenkessel verwandelt. Die Zuhörer waren von ihren Stühlen aufgesprungen und rannten wild durcheinander. Schreie, Flüche und Gelächter erfüllten die Luft. Es war ein Wirrwarr, wie es dieses ehrwürdige Haus seit seinem Bestehen noch nicht zu sehen bekommen hatte. Saaldiener kamen und schoben die Menschen in Richtung Ausgang. Es gab ein Geschiebe und Gedränge, dass es einem die Luft aus der Brust quetschte. Oskar fühlte sich von der Menge gepackt und fortgerissen. Es
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