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Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache

Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache

Titel: Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache
Autoren: A. J. Lake
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ihre schwarzen Augen und braunen Haare, ihr gütiges Gesicht und ihr tapferes Lächeln, als sie sich vor zwei Tagen am Kai von Noviomagus verabschiedet hatten.
    Sie war sehr um seine Sicherheit besorgt gewesen. Als sie gehört hatte, dass der Kapitän dem neuen christlichen Glauben anhing, hatte sie eine Stunde lang an ihrem Hausaltar Lady Donn und der Göttin Branwen, ihrer Namenspatronin, geopfert und beide um ihren Beistand für Adrians Reise angefleht. Sie hatte das Frachtschiff gewählt, weil es an der Küste entlangfuhr, um den dänischen Piraten nicht zu begegnen, die das Meer im Osten unsicher machten. Erst in Dunmonia, dem am weitesten westlich gelegenen Reich der Inseln, sollte das Schiff Kurs aufs offene Meer nehmen und den Kanal überqueren.
    »Stell keine Fragen«, hatte seine Mutter nach einer letzten, festen Umarmung gesagt. »Mach dich unsichtbar und rede nur mit dem Kapitän. Wenn du etwas sagen musst, sag, dein Vater sei ein in Not geratener Kaufmann. Er sei nach Gallien gefahren, um dort seine Tuche zu verkaufen, und habe nach dir geschickt.«
    Adrian hatte den Anweisungen der Mutter aufmerksam gelauscht. Tränen hatten in seinen Augen gebrannt, aber er hatte sie natürlich unterdrückt. Mit elf war er fast ein Mann und durfte nicht mehr weinen. Er hatte sich zusammengenommen, um vor seiner Mutter keine Schwäche zu zeigen.
    »Kann ich dich was fragen?«, hatte er gesagt. »Warum kommst du nicht mit?«
    Kaum waren die Worte heraus, wünschte er, er hätte es bleiben lassen. Er sah, wie ihre Augen sich mit Kummer füllten. Doch als sie sprach, klang sie streng und überlegen wie eine Königin und nicht gütig wie eine Mutter.
    »Das weißt du doch, Adrian. Dein Vater kehrt vielleicht nie mehr zurück, und wenn das tolle Treiben vorbei ist, muss jemand die Last tragen, die er getragen hat. Wer sollte das sein, wenn das Schiff mit uns beiden an Bord untergeht?«
     
    Seine Mutter war allein in Noviomagus zurückgeblieben und Lady Donn und die Göttin Branwen hatten ihn im Stich gelassen. Adrian überlegte, wann die Nachricht vom Schiffbruch im fünfzig Meilen entfernten Königreich seines Vaters eintreffen würde. Er dachte an die Heimat, die er nie wiedersehen würde – die sanften Hügel und grünen Weiden und die schönen Bauernhöfe –, und spürte einen Kloß im Hals und bekam kaum noch Luft.
    Das Kreischen von malträtiertem Holz brachte ihn wieder zur Besinnung. Etwas schrammte am Kiel entlang, und wieder erzitterte das Schiff über seine ganze Länge. Er hörte den Kapitän schreien und sah, wie das Mädchen plötzlich an den Tauen zerrte, mit denen es sich festgebunden hatte. Diesmal sah er Angst in ihren bernsteinfarbenen Augen.
    Sie rief ihm etwas zu, doch ihre Worte gingen im Wind unter. Er hörte nur »Felsen!« und »Manacles!«.
    Das reichte. Selbst eine Landratte wie Adrian kannte die Manacles, die unbarmherzigen Basaltklippen, die südlich von Stannan Head aus dem Meer ragten. Kaum ein Mond verging, ohne dass ein unvorsichtiges Schiff sich den Rumpf daran aufschlitzte. Adrian spähte über das Wasser, sah aber nur gischtgefleckte Nacht. Doch bald schrien auch die Ruderer, was Elsa gesagt hatte – FELSEN! MANACLES! AUFPASSEN! –, und mühten sich verzweifelt ab, das Segel an dem einzigen noch stehenden Mast zu wenden.
    »Was sollen wir tun?«, rief Adrian.
    »Beichte den Göttern deine Sünden«, rief das Mädchen zurück.
    Adrian blickte sich in steigender Panik um. Gewaltige Brecher rollten über das Deck und überall taumelten Matrosen über die salzgetränkten Planken. Entsetzt musste Adrian mit ansehen, wie ein Ruderer gegen die Reling geworfen und ins Meer geschleudert wurde. Das Deck neigte sich noch tiefer und eine weiße Hand hob sich für einen kurzen Moment flehend aus dem Wasser, dann schlugen die Wellen über ihr zusammen. Die anderen Ruderer hatten für ihren Kameraden kaum einen Blick übrig. Sie beugten sich über die Ruder, als säßen ihnen sämtliche Teufel der Hölle im Nacken. Sie wissen, dass wir verloren sind, dachte Adrian.
    Er sah Elsa an, doch sie hatte die Augen geschlossen. Vielleicht betete sie. Er dachte an die Götter seiner Mutter und überlegte angestrengt, ob er den Meeresgott Llyr oder den Herrn der Winde Manawydan gekränkt hatte. Wieder hob er den Blick zum Himmel.
    Bei den Göttern! Als wären die haushohen Wellen nicht schlimm genug gewesen! Jetzt stand die Welt auch noch auf dem Kopf und drehte sich wie ein verrückter Kreisel.
    Auf dem
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