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Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache

Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache

Titel: Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache
Autoren: A. J. Lake
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Als das Deck sich hob, rutschte er auf dem Rücken liegend nach Steuerbord zur Reling. Im nächsten Moment war er verschwunden. Das Meer hatte ihn geschluckt.
    Schreie und Flüche klangen Elsa in den Ohren, dann wurde alles von einem schrecklichen Knirschen und Splittern übertönt. Vater! Ihr Schrei wurde zusammen mit der Gischt in die von Chaos erfüllte Nacht hinausgerissen. Ein Matrose – sie meinte Beron zu erkennen – torkelte vorbei und suchte verzweifelt nach Halt. Er schien zu tanzen. Er prallte mit den Rippen gegen die Reling und kippte vornüber ins Meer.
    Die Bretter unter Elsas Füßen begannen wie dürre Zweige zu brechen. Das Tau hielt sie fest wie eine Schlange. Wenn es ihr nicht gelang, schleunigst die Knoten zu lösen, würde der absackende Maststumpf sie in den Laderaum ziehen und ihr den Rücken brechen.
    Doch die Knoten waren glitschig und vom Wasser aufgequollen und Elsas Hände steif gefroren.
    Sie tastete nach dem Fischermesser an ihrem Gürtel und betete zum strenggesichtigen Gott ihres Vaters, die Klinge möge noch vom letzten Abziehen scharf sein. Mit fliegenden Fingern säbelte sie an einem Knoten herum, bis er aufging, und dann am nächsten. Die Spearwa schien den Kampf gegen die Felsen aufzugeben und tauchte immer tiefer in das wild schäumende Meer ein.
    Elsa spürte, wie die Planken unter ihr nachgaben und der Mast sich in ihre Richtung neigte. Sie musste sofort weg! Ungeduldig befreite sie sich von den letzten Tauen. Nur ein Fuß hing noch fest. Der Mast neigte sich noch weiter vor und ihr Fuß verdrehte sich schmerzhaft. Elsa riss daran und bekam ihn frei. Im nächsten Moment brach der Mast krachend durch die Planken, auf denen sie eben noch gekniet hatte.
    Sie drehte sich zum Heck um. Dort musste ihr Vater sein. Sie war erst zwei Schritte gegangen, da brachen die letzten Planken unter ihren Füßen weg und sie stürzte inmitten eines Regens von Holzsplittern in die Tiefe.
    Sie sank eine Ewigkeit. Zwar konnte sie gut schwimmen, doch die Kälte des Wassers betäubte sie. Umso verzweifelter klammerte sie sich ans Leben. Vielleicht war ihr Vater gar nicht tot. Sie zwang sich nachzudenken, etwas zu tun. Wo ist oben?, überlegte sie fieberhaft. Sie begann mit den Beinen zu strampeln und den Rücken zu strecken. Sie fand heraus, wohin die Schwerkraft sie zog, und stieg strampelnd durch das brodelnde Wasser zur Oberfläche hoch. Gerade als sie glaubte, ihre Lungen würden bersten, tauchte sie aus den Wellen auf. Gierig sog sie Luft in sich hinein.
    Wieder zogen die Wellen sie hinunter und wirbelten sie herum wie eine Stoffpuppe in einem Mühlgraben. Sie ließ sie gewähren. Sich dagegen zu wehren, verbrauchte nur wertvolle Kraft. Noch dreimal stieg sie hinauf und wurde wieder in die Tiefe gezogen. Dazwischen schnappte sie nach Luft. Beim dritten Mal beleuchtete ein gewaltiger Blitz die Felsen unter ihr. Eine ganze Stadt von Basalttürmen kam ihr durch die zischenden Wellen vom Meeresboden entgegen. Verzweifelt ruderte sie in eine andere Richtung.
    Keuchend brach sie erneut durch die Wasseroberfläche. Regen und Hagel prasselten auf sie nieder. Sie sah sich nach der Spearwa um, konnte aber in der Nacht und mit der stechenden Gischt im Gesicht kaum zwei Meter weit sehen. Von dem Wrack und seiner Besatzung keine Spur.
    »Vater!«, schrie sie. »Vater, wo bist du?« Das gegen die Felsen donnernde Meer übertönte ihren Schrei.
    Sie spürte, wie ihr Kampfgeist erlahmte. Warum sich weiter wehren? Sie wurde rasch müde. Den Kampf gegen die Wellen konnte sie sowieso nicht gewinnen. Sie wollte schon aufgeben, da machte der Sturm ihr ein unerwartetes Geschenk. Wenige Meter von ihr entfernt tauchte eine Holzkiste aus dem Wasser auf. Mit neuer Kraft schwamm sie darauf zu und bekam sie an einem Griff zu fassen. Sie bestand aus Eiche und war mit Eisen beschlagen, eine stabile und offenbar wasserfeste Kiste. Elsa klammerte sich daran fest und schnappte nach Luft.
    Plötzlich sah sie einen menschlichen Körper im Wasser treiben. Vor Schreck hätte sie die Kiste fast losgelassen. Sie wusste wie alle Kinder aus Dubris, was das Meer mit Toten anstellte. Bilder weißer, aufgedunsener Gesichter und mit Algen behangener Arme und Beine stiegen in ihr auf. Doch sie zwang sich, die Wellen mit den Augen abzusuchen. Vielleicht handelte es sich um ein Besatzungsmitglied der Spearwa, Beron oder Inch. Oder ihren Vater! Gut möglich, dass er noch lebte!
    Dann entdeckte sie den Körper wieder. Dunkel und schlaff lag er
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