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Chronik einer Trennung (German Edition)

Chronik einer Trennung (German Edition)

Titel: Chronik einer Trennung (German Edition)
Autoren: Tobi Thoy
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heute in Ruhe den ganzen Tag auf sein Abitur vorbereiten kann.
    Unser Abiturient von heute spendet natürlich auch jeden Monat ein paar Euro für Afrika, die Menschen dort tun ihm nämlich unheimlich leid. Er achtet, zum Wohle der Umwelt, immer darauf Müll zu trennen und weiß genau, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind.
    Der Abiturient von heute weiß selbstverständlich, dass im Fernsehen nur Mist läuft und schaut grundsätzlich nur noch Dokumentation auf Phoenix oder Arte. Er ist natürlich auch politisch gut informiert und weiß genau, Angela Merkel ist nicht bei der SPD ist.
    Der Abiturient von heute handelt moralisch , wie könnte es anders sein, immer korrekt.
    Der Abiturient von heute mischt sich auch niemals in fremde Angelegenheiten ein, denn er weiß, dass ihn das nichts angeht…“, Sören macht eine Pause. Niemand applaudierte mehr.
    „…nein, wartet mal, das Letzte stimmt ja gar nicht: Der Abiturient von heute mischt sich doch in alles ein, denn er ist ja so gut informiert, dass er weiß, dass er immer recht hat. Der Abiturient von heute urteilt auch über andere. Das macht er übrigens besonders gerne, denn er ist ja so perfekt und ohne Makel und kann es sich daher leisten über andere zu urteilen…
    Ja, das musste ich jetzt loswerden, Entschuldigung. Vermutlich hat mich aber gerade sowieso niemand verstanden… Also, lassen wir das einfach so stehen… Ach ja: herzlichen Glückwunsch uns allen zum Abitur!“
    Das Publikum schwieg. Jemand aus der hinteren Reihe fing an zu applaudieren, er wurde von ein paar wenigen unterstützt. Christian hatte das Gefühl, dass er nicht der einzige war, der diese Rede nicht verstanden hatte. Kevin betrat etwas zögerlich die Bühne.
    „ Okay Leute, das war Sören Schmidt mit seiner sehr…interessanten Rede. Und jetzt bitte ich Sie um Ihre Aufmerksamkeit: man wollte uns weiß machen, dass Michael Jackson tot wäre, doch es ist nicht wahr, er ist heute extra zu unserer Abschlussfeier aus den USA gekommen. Also, viel Applaus für Michael Jackson!“
    Es ertönte ein Song von Michael Jackson und auf die Bühne sprang ein, in eine glitzernde Jacke und eine enge Hose gekleideter, Abdul, der sofort anfing sich zu Musik zu bewegen. Kurz darauf kam auch Bahri tanzend auf die Bühne.
    Als schließlich auch diese Performance zu Ende war, durften sich alle Abiturienten dem Alphabet nach aufstellen und sich vom Schulleiter ihr Zeugnis geben lassen.
    Als Christian sein überraschend gutes Abitur in der Hand hielt, wusste er endgültig, dass dieser Lebensabschnitt vorbei war. Er sah kurz hinüber zu Maria, die noch hinter ihm in der Schlange stand. Es war das erste Mal seit den Abiturprüfungen, dass er sie sah und er würde wohl er nie wieder sehen. Ein Schauer überkam ihn bei diesem Gedanken.
     
    * * *
     
    Es war ein kühler Sonntagmorgen. Christian war schon lange wach. Die ganze Nacht hatte er mit einem Mädchen gechattet, sie war fünfzehn oder so, vielleicht auch etwas älter. Eigentlich kannte er ihr wirkliches Alter genauso wenig wie ihren Namen.
    Christian war ins Bad gegangen um sich zu duschen. Sein Kopf tat weh und auch sein Rücken machte wieder Probleme beim gehen, doch mit einer eiskalten Dusche sollten die Schmerzen weniger werden.
    Nach der Dusche betrachtete er sich noch im Spiegel. Sein Gesicht war blass und unter den Augen waren fette Ringe zu sehen, die deutlich machten wie übermüdet er war.
    Direkt unter dem Spiegel sa h er eine Nagelschere, auf der kurz seine Augen ruhten, bis er zum Frühstück gerufen wurde.
    Sein Vater saß mit einem morgendlichen Bier und einer Zigarette am Tisch und seine Mutter schmierte ihm gerade ein Brötchen.
    Stumm ließ Christen einen Vortrag von seinem Vater über sich ergehen. Diesmal war das Thema, Christians psychische Erkrankungen.
    „Erst haben diese inkompetente Kindergärtnerin und die hyste rische Kuh aus der Grundschule dafür gesorgt, dass du sie nicht mehr alle hast, jetzt deine sogenannten `Freunde`. Gut, dass du eine Familie hast, auf die du dich immer verlassen kannst… also, zeig mal ein bisschen Dankbarkeit!“
    Nach dem Frühstück stand Christian stumm auf und verzog sich in sein Zimmer.
    An seinem Computer öffnete er Facebook. Maria hatte er nicht mehr in seiner Freundesliste und wenn er auf ihre Facebookseite ging, sah er nur noch ihr Profilbild, trotzdem schaute er regelmäßig dort vorbei.
    Auf der Abiturfeier, vor zwei Tagen, hatte er sie zuletzt gesehen. Es war ein unerträgliches
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