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Chronik einer Trennung (German Edition)

Chronik einer Trennung (German Edition)

Titel: Chronik einer Trennung (German Edition)
Autoren: Tobi Thoy
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junge Mann mehr als nur ein wenig gedemütigt. Minuten vergingen, in denen er in ein geblümtes und schon zu teilen voll gerotztes Taschentuch weinte.
    „Und das war noch nicht alles…“, sagte er schluchzend.
    „In der Grundschule hörte das Martyrium nicht auf, nein, das Gegenteil war der Fall, es wurde noch schlimmer! Unsere Klassenlehrerin, sie hat die ganze Klasse gequält… vier Jahre lang!“, er hob vier Finger.
    „ Sie hat uns immer nur kritisiert und fertig gemacht. Selbst im Kunstunterricht haben wir geweint!“
    „Aber wieso hat den niemand etwas da gegen unternommen?“, fragte ich bestürzt.
    „Angst! Wie hatten alle zu viel Angst. Wir haben nie etwas erzählt. Erst als wir die Schule verlassen hatten, haben einige von uns unseren Elter n anvertraut, wie sehr wie gequält wurden waren. Aber das war immer noch nicht alles… Maria…“, er verstummte, nach der Nennung des Namens.
    „Wer oder was ist Maria?“, fragte ich etwas interessierter.
    „Meine Ex-Freundin! Sie war meine erste Freundin. Wir waren vierzehn Monate und sieben Tage zusammen. Es war die schönste Zeit meines Lebens.“, er atmete hörbar ein und aus.
    „Wir wollten die Welt sehen, i ch habe ihr Gedichte geschrieben: `Du bist meine wunderbare Freundin und ich bin froh, das ich dein Freund bin.`“, zitierte er aus einem dieser Gedichte.
    „Wir haben so viel zusammen gemacht. Es war eine emotion ale Achterbahnfahrt der Gefühle und das meine ich relativ positiv. Ich habe mit ihr meine Zukunft geplant. Sie war so lange mit mir zusammen, obwohl ich beziehungsgestört bin, verursacht durch all meine schrecklichen Erlebnisse in der Kindheit.“, für einen Moment schwelgte er in Erinnerungen.
    „Ich war in ihren Bann gezogen, voll Liebe trunken. Ich hatte mir schon Namen für unsere Kinder überlegt: Eduard, Elias, Gábor, Gabriel, Halvar, Hiram, Iwan, Karel, Levi, Lysander, Nicolas, Noel, Pedro, Rafael, Richard, Ruben und Zacharias“, er zählte sie dem Alphabet nach auf.
    „Ich wollte zusammen mit ihr unser Geld in Bundesschatzbriefe anlegen, damit wir sicher in Zukunft hätten leben können. Es war so schön mit ihr, wie sie mich immer unterstützt hat, gegen meine `Stasi-Familie`.“
    I ch schaute etwas verwundert, doch die Erklärung folgte recht bald:
    „ Mein Vater, obwohl natürlich in manchen Dingen schon ein Vorbild, da er Menschen einfach durchschauen kann, ist ein schwieriger Mensch, der mich sehr oft kontrollierte.“
    „ Das klingt nach einem furchtbaren Vater und nach einer traumhaften Beziehung“, sagte ich lächelnd.
    „Das war sie auch! Natürlich gab es auch Probleme, das will ich gar nicht verheimlichen: Sie hatte eine seltsame Art von Humor, der gelegentlich ein wenig verletzte und wir waren auch was unsere Gefühle anbetraf, nie so nah, wie ich es mir gewünscht hatte. Sie hat nie verstanden, wie sehr ich mich nach Nähe und Geborgenheit gesehnt habe. Ich meine, bei so einer Kindheit wie meinem, ist das sicher nachvollziehbar… Sie hat mich auch ab und an ein wenig unterdruck gesetzt, damit ich meinem Vater auch mal widerspreche. Und in den letzten Monaten unserer Beziehung gab es keine richtigen Momente der Zweisamkeit mehr“, er stockte kurz und ergänzte dann:
    „…aber es war halt trotz all dem relativ schön.“
    „Und was ist dann vorgefallen?“, fragte ich, denn ich sah, dass sich seine Miene verzogen hatte.
    „Sie hat mit mir Schluss gemacht und das einen Tag nach dem schrecklichsten Tag meines Lebens, der danach nur noch der zweitschre cklichste Tag meines Lebens war, denn der schrecklichste Tag meines Lebens ist der Tag, an dem sie mit mir Schluss machte und dabei ein Dolch in meine Brust rammte und mein Herz herausriss!“
     
     
    Herzmuskelentzündung
     
    „Iss dein Fleisch auf, Christian“ , sagte sein Vater und pustete seinem Sohn dabei den Rauch seiner Zigarette entgegen.
    Christians schüchterner Blick wanderte zur großen runden Uhr an der Wand über der Tür zur Küche. Es kam ihm vor, als wären schon Stunden vergangen. Er packte sich kurz an seine schmerzende Brust: sein Herz, es tut unerklärbar weh.
„Ich hab keinen Hunger“, nuschelte er kaum hörbar, in seine vor den Mund gehaltene Hand.
    Sein Vater ignorierte es, obwohl er es sicher gehört hatte. Er gab seiner Frau mit einer Handbewegung zu verstehen noch ein blutiges Steak auf den Teller des Sohnes zu klatschen.
    Chri stian musste sich konzentrieren mit dem Messer das Fleisch zu schneiden. Seinen Augen fiel es
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