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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
Autoren: Anne Rice
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Augenblick stehen bleiben und bedeutete seinem neuen Freund, sich kurz zu gedulden.
    »Ich habe mit der Gabe des Geistes so viele Dinge gesehen«, sagte er, »aber ich konnte sie nicht verstehen.«
    »Vielleicht kann ich dir alles erklären«, sagte Marius. »Zumindest alles, was ich selbst weiß, und du kannst es nach Belieben nutzen. Wissen hat mir in letzter Zeit aber nicht das Heil gebracht. Ich bin einsam.«
    »Ich werde bei dir bleiben«, sagte Thorne. Das warme Gefühl von Kameradschaft brach ihm fast das Herz.
    Sie gingen geraume Zeit, und nach und nach kehrten Thornes Kräfte zurück, während die Erinnerung an die Wärme in dem Lokal verblasste, als wäre sie ein Trugbild gewesen. Schließlich standen sie vor einem ansehnlichen Haus mit hohem Giebeldach und vielen Fenstern. Marius steckte den Schlüssel ins Türschloss, und dann traten sie in eine weite Diele und ließen das Schneegestöber draußen hinter sich.
    Weiches Licht fiel aus den oberen Räumen. Wände, Decken und auch der Boden bestanden aus mit Öl getränktem Holz, das selbst in den Ecken sorgfältig gefügt war.
    »Dieses Haus hat ein hoch begabter moderner Baumeister für mich gebaut«, erklärte Marius. »Ich habe schon in den unterschiedlichsten Häusern gelebt, dies ist nur eines von vielen. Komm mit.« Im größten Raum des Hauses war in die holzgetäfelte Wand ein rechteckiger Kamin aus Stein gesetzt, in dem schon Holz aufgeschichtet war und nur aufs Anzünden wartete. Durch beinahe wandgroße Fenster sah Thorne unter sich die Lichter der Stadt. Ihm wurde klar, dass sie sich am Hang eines Hügels befanden.
    »Komm«, sagte Marius, »ich muss dich jemandem vorstellen, der mit mir hier lebt.«
    Thorne war verdutzt, denn er hatte nichts von der Gegenwart einer anderen Person gespürt, aber er folgte Marius durch eine Tür hinaus und in ein Zimmer zur Linken; der Anblick, der sich ihm dort bot, verwirrte ihn.
    Der Raum war mit Tischen voll gestellt, aber möglicherweise war es auch nur ein einziger, weit ausladender Tisch. Er war ganz und gar von einer Miniaturlandschaft bedeckt, mit Hügeln und Tälern und Dörfern und Städten, dazwischen winzige Bäume und sogar niedriges Gebüsch, und hier und da gab es Schnee, als ob in der einen Stadt gerade Winter herrschte und in einer anderen Frühling oder Sommer. Unzählige Häuser waren in der Landschaft verstreut, in vielen blinkten winzige Lichter, und es gab glitzernde Seen aus einem harten Material, das den Glanz von Wasser nachahmte. Tunnel führten durch Gebirge. Und durch dieses vielfältige Durcheinander rollten auf sich windenden eisernen Schienen winzige Züge, offensichtlich ebenfalls aus Eisen, wie die in jener neuzeitlichen Welt.
    Herr über diese kleine Welt war ein Bluttrinker, der den Blick nicht hob, als Thorne eintrat. Dieser Bluttrinker hatte Das Blut als junger Mann bekommen. Er war groß, aber sehr schlank, mit feingliedrigen Händen. Sein Haar hatte das farblose Blond, das eher bei Angelsachsen vorkam als beim nordischen Menschenschlag.
    Vor ihm auf dem Tisch, an dem er saß, war Raum für seine Pinsel und mehrere Farbtiegel gelassen, und er war dabei, den Stamm eines Bäumchens zu bemalen, das jeden Moment fertig gestellt und in diese Welt gesetzt werden konnte, die sich rings um ihn über das ganze Zimmer erstreckte und ihn fast darin einschloss. Entzücken durchströmte Thorne, als er über jene kleine Welt blickte. Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass er gut und gern eine Stunde damit verbringen könnte, die winzigen Bauwerke zu untersuchen. Das hier war nicht die feindliche äußere Welt, sondern etwas Kostbares, Behütetes, ja etwas, das einen in Bann schlagen konnte.
    Über die verschlungenen Gleise ratterten kleine schwarze Lokomotiven, die alle ein gedämpftes, dröhnendes Geräusch von sich gaben wie ein Bienenstock. Lichter schienen hinter den winzigen Fenstern der angehängten Waggons.
    Jedes der zahllosen Details in diesem kleinen Wunderland schien zu stimmen.
    »In diesem Raum komme ich mir wie der Eisriese vor«, flüsterte Thorne ehrfürchtig.
    Die Worte waren als Freundschaftsgeste für den jungen Mann gemeint, der fortfuhr, braune Farbe auf den Miniaturbaumstamm aufzutragen, den er so vorsichtig mit den Fingern der linken Hand hielt. Aber der junge blonde Bluttrinker reagierte nicht.
    »Diese kleinen Städte und Dörfer sind wie ein hübscher Zauber.« Thornes Stimme war nun etwas zaghafter als zuvor. Der Jüngere schien keine Ohren zu haben.
    »Daniel«,
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