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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
Autoren: Anne Rice
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Marius sprach seinen Freund leise an, »möchtest du nicht Thorne begrüßen? Er ist heute Nacht unser Gast.«
    »Willkommen, Thorne«, sagte Daniel, ohne aufzublicken. Und dann, als ob weder Thorne noch Marius vorhanden wären, hörte er mit dem Bemalen des Baumes auf, und nachdem er einen anderen Pinsel in einen anderen Tiegel getaucht hatte, setzte er einen feuchten Klecks in die sich vor ihm hinbreitende Welt und drückte den Baum energisch darauf, sodass er wie festgewurzelt stand.
    »Es gibt eine Menge solcher Räume in diesem Haus«, sagte Marius mit gleichmäßiger Stimme, während er Thorne einen freundlichen Blick schenkte.
    »Sieh mal da unten – man kann Tausende solcher Bäume und solcher Häuschen kaufen.« Dabei wies er unter den Tisch auf mehrere Stapel kleiner Schachteln. »Daniel ist sehr geschickt im Zusammenfügen dieser Modelle. Schau, wie kniffelig das ist! Daniel macht im Moment nichts anderes.« Thorne spürte, dass in diesen Worten eine Art milden Urteils mitschwang, doch der jüngere Bluttrinker beachtete es gar nicht. Er hatte schon zu einem neuen Bäumchen gegriffen und begutachtete den wulstigen oberen Teil, der die belaubte Krone darstellen sollte. Hier setzte er den Pinsel an.
    »Hast du schon einmal einen von uns derart auf etwas fixiert gesehen?«, fragte Marius.
    Thorne schüttelte den Kopf, nein, noch nie. Aber er verstand, wie es dazu kommen konnte.
    »Das geschieht manchmal«, sagte Marius. »Der Bluttrinker ist wie unter einem Bann. Mir fällt da eine Geschichte ein, von einer Bluttrinkerin irgendwo im Süden, die nur eine Leidenschaft hatte – hübsche Muscheln; sie wanderte nächtelang am Strand entlang, beinahe bis zum Morgen. Sie jagte und trank, aber dann wandte sie sich wieder ihren Muscheln zu, betrachtete jede einzelne, warf sie dann fort und suchte weiter. Niemand konnte sie davon abbringen. Unter einem solchen Bann steht auch Daniel. Er baut diese kleinen Städte. Er will nichts anderes. Es ist, als hielten diese Städtchen ihn gefangen. Ich sorge sozusagen für ihn.« Thorne schwieg aus Respekt. Er konnte nicht sagen, ob der junge Bluttrinker sich von Marius’ Worten überhaupt betroffen fühlte, da er ununterbrochen weiter an seiner Welt bastelte. Einen Moment lang fühlte Thorne sich verwirrt. Dann lachte Daniel leise und gutmütig.
    »Sein Zustand wird wohl noch eine Weile anhalten«, sagte Marius, »aber schließlich wird er sich wieder auf seine früheren Fähigkeiten besinnen.«
    »Ideen hast du!«, sagte Daniel und stieß abermals ein kurzes, unbeschwertes Lachen aus. Es war kaum mehr als ein Murmeln. Er tauchte den Pinsel wieder in den Klebstoff, der sein Bäumchen in der Landschaft befestigten sollte, und presste es mit Nachdruck fest. Dann nahm er aus einer Schachtel neben sich einen weiteren Baum.
    Währenddessen rollten die kleinen Eisenbahnen dahin und schlängelten sich lärmend durch Berg und Tal, vorbei an schneebedeckten Kirchen und Häusern. Und diese kleine Welt war sogar von winzigen naturgetreuen Menschen bevölkert! »Darf ich mir das aus der Nähe ansehen?«, fragte Thorne.
    »Aber sicher«, antwortete Marius, »das würde ihn freuen.« Thorne ließ sich auf die Knie nieder und schob sich näher an das Dörfchen mit seiner Ansammlung winziger Gebäude, auf denen er zierliche Zeichen entdeckte, deren Bedeutung er allerdings nicht kannte.
    Er war stumm vor Verwunderung – dass er, nachdem er sich von seinem Schlaf erhoben und sich der weiten Welt gestellt hatte, hierher kommen und auf dieses Zwergenuniversum stoßen musste.
    Eine hübsche kleine Lokomotive, die einige Wagen zog, ratterte mit dröhnendem Motor auf den Schienen an ihm vorbei. Er glaubte, kleine Figuren darin zu sehen.
    Für eine Sekunde vergaß er alles um sich. Er stellte sich vor, dass diese selbst gebaute Welt real war, und verstand den Zauber, dem Daniel unterlag, wenn er sich auch davor fürchtete.
    »Wie schön«, sagte er mit Dank in der Stimme und erhob sich. Der junge Bluttrinker rührte sich weder, noch sprach er anstandshalber einen Dank.
    »Hast du schon gejagt, Daniel?«, fragte Marius. »Heute Nacht noch nicht, Marius«, antwortete der Jüngere, ohne aufzusehen, doch dann warf er blitzschnell einen Blick zu Thorne. Thorne war erstaunt über die violette Farbe dieser Augen.
    »Ein Nordmann«, sagte Daniel mit einem Anflug freudiger Überraschung. »Rotes Haar wie die Zwillinge.« Er lachte, ein leises Lachen, als wäre er ein wenig verrückt. »Von Maharets Blut. Du
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