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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
Autoren: Anne Rice
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damals als Sterblicher gewesen war und wie alt heute, als Bluttrinker, konnte Thorne kaum schätzen.
    Marius zog nun auch die ledernen Stiefel und die wollene Hose aus, und ohne auf Thorne zu warten – er bedeutete mit einer Geste, dass er ihm folgen solle –, stieg er in das heiße Wasser. Thorne zerrte an seiner pelzgefütterten Jacke, wobei sie in der Eile zerriss. Seine Finger zitterten, als er die zerlumpte Hose auszog. Bald war er nackt wie der andere. Hastig häufte er seine zerschlissenen Kleider aufeinander und sah sich suchend um.
    »Kümmer dich nicht darum«, sagte Marius aus den aufsteigenden Dampfschwaden heraus. »Komm zu mir in die Wanne. Werd erst einmal richtig warm.«
    Thorne folgte, kletterte in die Wanne und ließ sich in dem heißen Wasser auf die Knie sinken. Schließlich setzte auch er sich nieder, sodass ihm das Wasser bis zum Hals reichte. Die plötzliche Hitze war überwältigend, ein wahrer Segen. Er murmelte ein kurzes Dankgebet, alte Worte, die man ihn als Kind gelehrt hatte, wenn etwas ausgesprochen Erfreuliches geschah. Marius griff in die Schale mit den getrockneten Blüten und Kräutern, nahm eine Hand voll und streute sie in das heiße Wasser. Ein kräftiger, wohltuender Duft wie von einem Sommertag stieg auf.
    Thorne schloss die Augen. Dass er sich aufgerafft hatte und so weit gewandert war, dass er dieses saubere, luxuriöse Bad hier gefunden hatte, schien ihm fast eine Illusion. Gleich würde er aufwachen, ein Opfer der Bilder, die ihm die Gabe des Geistes übermittelte, und sich in seiner traurigen Höhle wiederfinden, ein Gefangener im selbst gewählten Exil, der von anderen Bluttrinkern nur träumte.
    Langsam senkte er den Kopf, schöpfte zwei Hand voll des heißen, reinigenden Wassers und benetzte sein Gesicht damit. Wieder und wieder tat er das, bis er endlich, als sei dafür Mut vonnöten, seinen Kopf ganz in die Wanne tauchte.
    Als er wieder an die Oberfläche kam, war ihm so warm, als hätte er nie zuvor gefroren. Der Anblick der Lichter hinter den Scheiben verblüffte ihn; selbst durch den Dampf hindurch konnte er den Schnee jenseits davon fallen sehen, und er genoss das köstliche Gefühl, dass er dem Schnee so nah war und dennoch so geschützt.
    Plötzlich wünschte er sich, dass er sich nicht wegen eines so finsteren Zweckes aus seinem Schlaf erhoben hätte. Warum konnte er nicht einfach nur dem Guten dienen? Warum konnte er nicht der Freude leben? Aber unwichtig; wichtig war, dass er dieses Geheimnis erst einmal für sich behielt. Warum sollte er seinen Freund mit düsteren Gedanken oder sich selbst mit schuldbeladenen Geständnissen behelligen? Er schaute zu seinem Gefährten.
    Marius lehnte am Holz der Wanne, die Arme ruhten ausgestreckt auf dem Rand. Sein nasses Haar klebte ihm an Hals und Schultern. Er sah Thorne nicht an, war sich aber offensichtlich seiner Gegenwart bewusst.
    Thorne tauchte abermals den Kopf unter, er ließ sich nach vorn sinken und streckte sich im Wasser aus, erhob sich dann plötzlich, drehte sich und ließ das Wasser von seinem Körper abperlen. Er lachte entzückt auf. Mit den Fingern fuhr er durch seine Brusthaare. Dann legte er den Kopf weit in den Nacken, bis das Wasser ihm ins Gesicht schwappte. Er wand sich hin und her, um seinen Haarschopf gründlich zu säubern, ehe er sich wieder aufrichtete und sich zufrieden zurücklehnte.
    Er nahm die gleiche Haltung wie Marius ein, und die beiden betrachteten einander.
    »Und so lebst du«, sagte Thorne, »mitten unter den Sterblichen und bist doch sicher vor ihnen?«
    »Sie glauben heutzutage nicht mehr, dass es uns gibt«, antwortete Marius. »Was sie auch sehen, sie glauben es nicht. Und mit Reichtum kann man alles kaufen.« Seine blauen Augen wirkten ernst, und sein Gesicht war ruhig, als gäbe es in seinem Innern keine bösen Geheimnisse, als hegte er gegen niemanden Hass. Und doch war es so.
    »Sterbliche säubern dieses Haus. Sie nehmen mein Geld, das ich ihnen für ihre Dienste hier bezahle. Hast du genügend Einblick in die heutige Zeit, um zu verstehen, wie ein solches Haus geheizt und gekühlt und vor Eindringlingen geschützt wird?«
    »Ja«, sagte Thorne, »aber wir sind nie sicher, während wir träumen, oder?«
    Ein bitteres Lächeln legte sich über Marius’ Züge. »Sterbliche haben mir nie etwas angetan«, sagte er.
    »Du sprichst von der Bösen Königin und all denen, die sie ermordet hat, nicht wahr?«
    »Ja, davon und von anderen Gräueln«, antwortete Marius. Behutsam,
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