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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
Autoren: Anne Rice
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Telefone. Vielleicht gelang es ihm ja. Vielleicht konnte er sich die Zeit dafür gönnen. Das war zwar nicht sein Ziel gewesen, als er sich erneut aufgerafft hatte, aber wer sagte denn, dass er sich bei seinem Vorhaben beeilen musste? Niemand wusste von seiner Existenz, außer vielleicht der Bluttrinker, dessen Ruf er vernommen hatte, der, der ihm seinen Geist so offen darbot.
    Wo war dieser Bluttrinker, den er vor ein paar Stunden noch gehört hatte? Thorne sandte einen langen, stummen Ruf aus, gab zwar seinen Namen nicht preis, versprach jedoch seine Freundschaft. Schnell kam eine Antwort. Mit der Gabe des Geistes sah er einen blondhaarigen Fremden. Das Wesen saß im Hinterzimmer eines besonderen Lokals, eines Versammlungsorts der Bluttrinker. Komm her, gesell dich zu mir.
    Die Richtung war klar, und Thorne beeilte sich, dorthin zu kommen. Während des ganzen letzten Jahrhunderts waren Stimmen von Bluttrinkern zu ihm gedrungen, die von solchen sicheren Häfen sprachen. Vampirschenken, Bluttrinkerbars, Bluttrinkerclubs. Treffpunkte für die Bruderschaft der Vampire. So etwas gab es! Er musste lächeln.
    Aufs Neue sah er im Geiste die helle, beunruhigende Traumsequenz – dieses Netz mit den vielen winzigen, pulsierenden Lichtpunkten darin. Es war das Abbild aller Bluttrinker, die mit dem heiligen Urkern in der Bösen Königin verbunden waren. Die Vampirbruderschaft war ein Widerschein dieses Netzes, und das faszinierte ihn.
    Ob sich wohl die modernen Bluttrinker per Computer verständigten und die Gabe des Geistes ganz außer Acht ließen? Er schwor sich, dass er sich durch keine Überraschung aus dem Konzept bringen lassen dürfte.
    Und doch überlief es ihn eiskalt, als er an diese unheilvollen Träume dachte.
    Er hoffte und betete, dass sein neuer Freund ihm die Dinge, die er gesehen hatte, bestätigen würde. Er hoffte und betete, dass der Bluttrinker wirklich zu den Alten gehörte und nicht jung, schwächlich und ungeschickt war.
    Er betete darum, dass der Bluttrinker die Gabe des Wortes besäße. Denn mehr als alles sonst wollte er Worte hören, Sprache. Er selbst fand nur selten die passenden Worte. Und mehr als alles andere wollte er nun einfach zuhören.
    Er war beinahe am Fuß der steilen Gasse angekommen; im sacht fallenden Schnee, der ihn einhüllte, sah er das Schild der Schenke: Zum Werwolf. Er musste lachen.
    Diese Bluttrinker spielten leichtsinnige Spielchen, überlegte er. Das war zu seiner Zeit ganz anders gewesen. Hatte in seinem Volk nicht jeder geglaubt, dass ein Mensch sich in einen Wolf verwandeln konnte? Und hätte nicht jeder seines Volkes alles getan, um dieses Übel von sich abzuwenden? Aber hier war es ein Spiel, ein Scherz in Form des gemalten Schildes, das in seinen Angeln im kalten Wind hin- und herschaukelte, und hinter den Gitterstäben der Fenster schien helles Licht. Er zog die schwere Tür auf und fand sich in einem überfüllten, warmen Raum, in dem es nach Bier und Wein und menschlichem Blut roch. Schon allein die Wärme war überwältigend. Wirklich, so etwas hatte er noch nie zuvor gefühlt. Die Wärme war überall und erstaunlich gleichmäßig. Es ging ihm durch den Sinn, dass nicht ein Einziger dieser Sterblichen hier ahnte, welches Wunder diese Wärme bedeutete. Denn in den alten Zeiten war dergleichen nicht vorstellbar gewesen; die bittere Kälte des Winters war ein unentrinnbarer Fluch gewesen.
    Es blieb ihm jedoch keine Zeit für solche Gedanken. Er rief sich in Erinnerung: Nicht aus dem Konzept bringen lassen! Aber das ihm entgegenbrandende Stimmengewirr der Sterblichen lähmte ihn. Das Blut ringsum lähmte ihn. Für einen kurzen Moment war der Durst wie eine schmerzende Wunde. Er hatte das Gefühl, als werde er in diesem lärmenden, gleichgültigen Gedränge gleich in Raserei verfallen, sich den einen oder anderen packen und dann von der Menge als Monster enttarnt werden, das man in den Tod hetzen würde.
    Er fand einen freien Platz an der Wand und lehnte sich dagegen, die Augen fest geschlossen.
    Er dachte an jene aus seinem Klan, die auf der Suche nach der rothaarigen Hexe bis in die Berge hinaufmarschiert waren und sie doch nie gefunden hatten. Thorne allein hatte sie gesehen. Er hatte gesehen, wie sie dem toten Krieger die Augäpfel nahm und in ihre eigenen Augenhöhlen einfügte. Er hatte gesehen, wie sie durch den sacht rieselnden Schnee zu ihrer Höhle zurückgekehrt war, wo sie abermals zum Spinnrocken griff. Er hatte gesehen, wie sie mit der Spindel die
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