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Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Autoren: Gillian Philip
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Schmerzes, den sie beim Verlust ihrer Jungfräulichkeit erleiden müssten. Das vermute ich zumindest, denn warum sonst sollte eine Frau über Jahrhunderte freiwillig ohne einen Geliebten sein wollen?
    Meine Mutter allerdings schien dieses Problem überwunden zu haben. Sie hatte eine Menge Liebhaber und das, obwohl sie eigentlich nie etwas anderes wollte als Griogairs grenzenlose Lieb e – ein Wunsch, der ihr, allen Listen zum Trotz, für immer versagt bleiben sollte, denn Griogair hatte sich schon fest an Leonora gebunden, Jahrzehnte bevor er Lilith kennenlernte. Da meine Existenz sie ihrem Ziel offenkundig keinen Schritt näher brachte, verlor Lilith auch das letzte Fünkchen Interesse an mir.
    Das war mir nur recht. Nachdem ich Kate NicNivens labyrinthartige Höhlen verlassen hatte, kam es mir so vor, als könnte ich zum allerersten Mal richtig atmen, und ich vermisste keinen einzigen ihrer bleichen, hochmütigen Gefolgsleute. Unter der Erde hatte es sogar noch weniger Kinder gegeben. Aber darauf kam es für mich nicht a n – ich brauchte weder Freunde noch eine Mutter. Es genügte mir vollkommen, auf dem Hof meines Vaters im Schatten herumzuschleichen und von dort aus alles zu beobachten. Auf diese Weise sah ich, wie die Kämpfer ausgebildet wurden, wie die Kinder sich zankten und miteinander wetteiferten, wie die seltsame, komplizierte Hierarchie des Lebens hier funktionierte. Es gab waghalsige Spiele zu Pferd, bei denen ich gern mitgemacht hätte, und wenn an mondbeschienenen Abenden zur wild dahingaloppierenden Musik aufgespielt wurde, wünschte ich mir beinahe, ich könnte mich mit den anderen in diesen Tanz stürzen. Aber warum sollte ich mich beklagen? Ich bekam Essen und Kleidung, konnte mich halbwegs sicher fühlen und lernte viel. Nicht dass mir jemand etwas beigebracht hätte, mich zur Feldarbeit geschickt oder gar zu einem Handwerk angeleitet hätte. Alles, was ich lernte, brachte ich mir selbst bei. Das war sicher ungewöhnlich, aber ich wusste, dass es mir für den Rest meines Lebens nützlich sein würde. Und die wichtigste Lektion lernte ich zuallererst: Ich war für mich selbst verantwortlich. Im Leben wie im Tod ist man auf sich allein gestell t – das wusste ich besser als all meine Altersgenossen.
    Im Nachhinein kommt es mir dumm vor, wie sehr ich mich darauf gefreut hatte, bei meinem Vater leben zu können. Wahrscheinlich war ich einem kindischen Wunschbild nachgejagt: er und ic h – Vater und Soh n – beim Kämpfen und Jagen und Lachen und Geheimnissehaben.
    Aber mein Vater hatte bereits einen Sohn, einen vollkommenen Sohn, und er brauchte keinen zweiten.

2. Kapitel

    I ch ging an jenem Vormittag zum Fischen. Das gefiel mir am besten an dem Leben hier: die Freiheit, mich an der frischen Luft zu bewegen. Ich hatte Kates unterirdische Höhlen nicht ausstehen können. Sie waren wunderschön, geradezu atemberaubend, aber da war kein Licht. Man konnte den Himmel nicht sehen.
    Auf dem Hof meines Vaters gab es Himmel im Überfluss. Die Festung erstreckte sich über eine felsige Landzunge, ihre Steinmauern bildeten auf der Westseite die senkrechte Verlängerung der Klippen über dem Meer. Sie gehörte genauso zur Landschaft wie die riesigen grauen Felsen, die aus der Erde ragten, von gelblichen Flechten gesprenkelt, von der Witterung der Äonen zerklüftet und gespalten. Nach Norden und Süden hin glitzerten blaue Buchten in der Sonne, im Inland stand die Heide in üppiger Pracht und dahinter begann ein riesiges Moor, das sich am Horizont in einem trüben Nebelschleier verlor. Ich spürte schon beim ersten Anblick, wie sehr ich diese Landschaft liebt e – und dass ich eines Tages hier sterben würde.
    Je schneller, desto besser, wenn es nach meinem neuen Clan ging.
    Aber es war mir gleichgültig, was die anderen von mir hielten. Endlich konnte ich frei herumlaufen, wann und wohin ich wollte, ohne Einschränkungen, ohne Grenzen. Ich konnte schwimmen und fischen und Kaninchen fangen. Ich konnte den ganzen Tag damit verbringen, einen verwundeten Falken zu zähmen, und mich dabei von dem ernähren, was ich sammelte oder jagte. Es war ein liebloses Dasein, aber was machte das schon? Ich war acht Jahre alt und zum ersten Mal im Leben so richtig frei. Niemand wusste, wo ich mich herumtrieb oder was ich tat, und niemand scherte sich darum. Es war Himmel und Hölle zugleich, aber ich konzentrierte mich auf die himmlische Seite und es ging mir gut damit. Für einen Jungen, der eigentlich gar nicht erst
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