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Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Autoren: Gillian Philip
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dass es die längsten drei Tage seines Lebens wurden. Er war so froh, mich endlich von hinten zu sehen, dass er nicht einmal mehr bei Griogair nächtigen wollte, obgleich dieser es ihm angeboten hatte. Hastig nahm er ein schnelles Mahl und ein starkes Gebräu zu sich, verabschiedete sich und trat den Rückweg an. Ich kann nur hoffen, dass Lilith ihn angemessen entschädigt hat.
    Auch später zeigte mein Vater keinerlei Wut über das, was geschehen war, höchstens leichte Verärgerung. Ich bin mir sicher, in seinem tiefsten Inneren war er nicht einmal überzeugt davon gewesen, dass es mich wirklich gab. Er hielt mich wohl eher für eines von Liliths Trugbildern.
    Meine Stiefmutter hingegen glaubte durchaus an meine Existenz. Immer wieder spürte ich Leonoras kalten blauen Blick wie Frost auf meiner Haut, und wenn ich aufsah, schaute sie nicht weg. Da war sie allerdings die Einzige. Alle anderen im Clan wandten den Blick von mir ab, als sei ich eine unsägliche Schande. Nun, das war ich ja auch. Und sobald klar war, dass Griogair mich nicht als seinen lange verschollenen Erben willkommen heißen würde, beschlossen sie, so zu tun, als wäre ich gar nicht da. Die wenigen Kinder, die es gab, zeigten zumindest ein gewisses Interesse an mir. Die älteren schnitten mich, im besten Fall verspotteten, im schlimmsten Fall verprügelten sie mich. Die jüngeren liefen vor mir davon, dafür sorgte ich schon.
    Meine Stiefmutter hingegen tat nichts dergleichen: Sie setzte mir weder zu noch fürchtete noch ignorierte sie mich. Sie beobachtete mich einfach. Ich hielt es für recht wahrscheinlich, dass sie mich eines Tages umbringen würde, aber ich konnte in Leonoras Augen noch nie gut lesen, erst recht nicht ihre Gedanken. Dass sie sich von mir bedroht fühlte, war ausgeschlossen. Leonora ließ sich von niemandem bedrohen.
    Ich sah zu, wie mein Vater und meine Stiefmutter miteinander umgingen, und ich war mir sicher, dass mein Vater meine Mutter noch nie so angelächelt oder so sanft berührt hatte, noch nie so zärtlich mit ihr gesprochen hatte wie mit Leonora. Und mich behandelte er erst recht nicht wie sie. Immer wenn ich in sein Blickfeld geriet, verfinsterte sich seine Miene, presste er die Zähne aufeinander und wirkte verzweifelt. Augenscheinlich erinnerte ich ihn an einen schrecklichen Fehler, den er nicht mehr rückgängig machen konnte. Und Leonora? In ihrem Gesicht sah ich nie etwas anderes als Mitleid und milde Verachtung, wofür ich sie von Herzen hasste. Ich hätte gern auch meinen Vater gehasst, aber ich konnte einfach nicht. Ich sehnte mich danach, von ihm geliebt ode r – wenn das nicht gin g – zumindest beachtet zu werden.
    Aber ich hatte keine Chance.
    Doch was nützte es. Meine Mutter hatte mich nun mal zu ihm zurückgeschickt. Sie selbst lebte als Beraterin der Königin am Hofe. Ja, ihr Exil hatte sie weit gebracht. Sie war nun nicht mehr nur Griogair Dubhs Zufallsgeliebte, sondern eine der mächtigsten Hofdamen in den Felshallen von Kate NicNiven. Da konnte sie ganz sicher kein aufsässiges, um Aufmerksamkeit heischendes Balg gebrauchen, das immer Ärger heraufbeschwor, den Hofherren üble Beschimpfungen nachwarf und den Höflingen noch üblere, regelmäßig verdroschen werden musste und auch sonst eine ständige Schande darstellte. Also schickte sie mich zurück zu Griogair.
    Bei meinem Vater gefiel es mir ohnehin besser. Frauen unserer Rasse sind nicht gerade die geborenen Mütter, das weiß jeder, und so vermisste ich Lilith nach einer Weile kaum noch. Sithe-Frauen sind großartige Kämpferinnen, weise und listenreiche Beraterinnen. Auch gute Heilerinnen oder Schmiedinnen finden sich unter ihnen, und als Hexen sind sie an Zauberkraft kaum zu übertreffen. Nur als Mütter taugen sie nicht viel. Geburten sind ohnehin selten, wir sind keine besonders fruchtbare Rasse. Vielleicht haben die lächerlichen Geschichten von Sithe-Frauen, die fremde Kinder gestohlen haben sollen, hier ihren Ursprung. Dazu kann ich nur sagen, dass unsere Frauen schon ihre eigenen Sprösslinge kaum ertragen können, geschweige denn anderer Leute Bälger. Unsere Frauen sehnen sich nicht danach, Kinder zu bekommen. Welchen Sinn hat es auch, jahrhundertelang einem Wunsch nachzuhängen, der sich womöglich nie erfüllen wird? Stattdessen stählen sie ihre Seelen, und selbst wenn sie sich dann doch einmal fortpflanzen, können sie ihre Härte nie ganz ablegen. Einige haben nicht einmal einen Liebhabe r – wegen des körperlichen
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