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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200
Autoren: C.H.Beck
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Mustern orientierte lateinische Grammatik zum Selbstzweck erhoben und damit Maßstäbe gesetzt, die sich bald auch das Bildungswesen der angelsächsischen Kirche zueigen machte. So kam es, daß nach dem Untergang des spanischen Westgotenreiches,das noch im 7. Jh. eine literarische Blüte erlebt hatte, die führenden Autoren des frühen 8. Jhs. im alten England anzutreffen sind: Aldhelm von Malmesbury († 709), der Dichter kunstvoller Verse über geistliche Themen, und Beda der Ehrwürdige († 735), als gelehrter Autor gleichermaßen bedeutend in der Bibelauslegung, der Kalenderrechnung und der Geschichte seines Volkes.

II) Das karolingische Europa 700 bis 900
    /d/ ie Geschichte Europas im 8. und 9. Jh. wird wesentlich bestimmt von der Dominanz des Frankenreiches, das sich unter der neuen Dynastie der Karolinger vom antiken Gallien aus Germanien, die rechtsrheinische Mitte des Kontinents, sowie den gesamten Alpenraum und große Teile Italiens aneignete und damit zur eindeutigen Vormacht der lateinisch-christlichen Welt aufstieg. Seine Ausstrahlung erstreckte sich über die ausgedehnten eigenen Grenzen hinweg nicht allein auf die angelsächsischen und irischen Glaubensbrüder jenseits des Meeres und auf den christlich gebliebenen Nordrand der Iberischen Halbinsel, sondern berührte auch die heidnischen Völker Skandinaviens und des Ostens. Ihren allseits sichtbaren Höhepunkt fand diese Entwicklung mit der Erneuerung des westlichen Kaisertums im Jahre 800 durch Karl den Großen und Papst Leo III. in Rom, was zugleich das Verhältnis zur Traditionsmacht der oströmischen Kaiser in Konstantinopel tiefgreifend verändern mußte. Vorangegangen war im 8. Jh. die militärisch erzwungene Abgrenzung zum maurischen Spanien, während umgekehrt schon bald im 9. Jh. als Sarazenen bezeichnete muslimische Kräfte auf den großen Mittelmeerinseln Fuß zu fassen vermochten.
1. Der Aufstieg der Karolinger und die Expansion
des Frankenreiches
Voraussetzungen
    Daß dem Frankenreich die Führungsrolle im Okzident zufallen würde, war um 700 noch kaum abzusehen. Das von König Chlodwig I. († 511) und seinen Söhnen bis zur Mitte des 6. Jhs. begründeteReich mit Schwerpunkt in der
Francia
zwischen Loire und Rhein, das seither viele Völker vom Mittelmeer und vom Ärmelkanal bis nach Thüringen und in die Ostalpen hinein umfaßte, schien den Zenit seiner Entwicklung hinter sich zu haben. Durch wiederholte Reichsteilungen, glücklose Könige aus dem Geschlecht der Merowinger und beständige Kämpfe rivalisierender Adelsgruppen in den einzelnen Teilreichen hatte der innere Zusammenhalt schwer gelitten. Während sich an den Rändern im Süden und Osten weitgehend autonome Sonderherrschaften der Herzöge von Aquitanien, Elsaß, Alemannien, Thüringen/Mainfranken und Bayern bildeten, gerieten im fränkischen Kernraum die späten Merowinger des 7. Jhs. zunehmend unter die Kuratel ihrer Hausmeier, die eigentlich die leitenden Verwalter am Hofe waren. Im wechselvollen Ringen der führenden Familien um diese Spitzenposition verschaffte sich durch einen 687 bei Tertry an der Somme errungenen Sieg Pippin der Mittlere († 714), der Urgroßvater Karls des Großen, auf Dauer die Oberhand. Er war als Enkel des Bischofs Arnulf von Metz († um 640) und des Hausmeiers Pippin des Älteren († 640) der Repräsentant des selbstbewußten Adels in Austrien, dem östlichen Teil der
Francia
, und besaß fortan auch im westlichen Neustrien den bestimmenden Einfluß. Als alleiniger Hausmeier, der die Merowinger als legitimierenden Rückhalt Könige bleiben ließ, vermochte er eine allmähliche Konsolidierung der Machtverhältnisse zwischen Loire und Rhein anzubahnen, wobei er früh schon durch Beteiligung der Söhne Drogo († 708) und Grimoald († 714) das Ziel einer erblichen Familienherrschaft zu erkennen gab.
    Dennoch muß bezweifelt werden, ob das Frankenreich in seiner damaligen Verfassung einem plötzlichen massiven Angriff von außen standgehalten hätte, wie er 711 das in seiner Führungsschicht ebenfalls zerstrittene Westgotenreich in Spanien mit fatalen Konsequenzen getroffen hat. Die islamische Okkupation des südlichen Nachbarreiches weckte bei den Franken keine spontanen Abwehrkräfte und wurde allenfalls zu einer Herausforderung für den aquitanischen Herzog Eudo († 735), als die Muslime die Pyrenäen zu überwinden begannen und ab 720 auch die westgotischen Vorpostenim Süden Galliens (Narbonne, Carcassonne, Nîmes)
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