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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200
Autoren: C.H.Beck
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es ihm um Gleichrangigkeit mit den altadligen Agilolfingern und um deren Einbindung in das Herrschaftsgefüge des eigenen Hauses zu tun war. Jedenfalls scheint Karl seine Hand im Spiel gehabt zu haben, als 736 die bayerische Herzogswürde an Odilo († 748), einen Agilolfinger mit alemannischen Wurzeln, fiel. In Alemannien selbst ging der Hausmeier noch einen Schritt weiter, indem er nach einem Sieg über Herzog Lantfrid (730) dessen überlebenden Bruder Theudebald nicht als Nachfolger anerkannte und den Dukat als erledigt behandelte.
Die Abwehr der «Sarazenen»
    Auch südlich der Loire hätte Karl Martell nach dem Sieg im innerfränkischen Machtkampf Anlaß zum Einschreiten gehabt, denn Herzog Eudo von Aquitanien war auf seiten seiner neustrischen Gegner gewesen. Er zog es jedoch vor, 720 ein Stillhalteabkommen zu schließen, das Eudo freie Hand zum Vorgehen gegen die aus Spanien andrängenden Muslime (in fränkischen Quellen Sarazenen oder Ismaeliten) gab. Nach einem Abwehrsieg vor Toulouse (721) suchte sich Eudo durch eine Allianz mit einem den Pyrenäen benachbarten Berberfürsten abzusichern, der im Gegensatz zu den in Córdoba residierenden arabischen Statthaltern des Kalifen stand. Doch er verkalkulierte sich: Sein Verbündeter unterlag dem Gouverneur Abdarrahman al-Ghafiki, der daraufhin 732 gleich nach Aquitanien weiterzog und Eudo an der Garonne eine schwere Niederlage beibrachte. Damit schlug die Stunde Karl Martells, der über die Loire hinweg herbeieilte, während die Muslime erst Bordeaux, dann Poitiers plünderten und bedrohlich der Grabkirche des hl. Martin in Tours entgegenstrebten. Bevor sie dorthin gelangten, kam es im Oktober 732 zum offenen Kampf, den der zeitgenössische fränkische Chronist voller Empörung über «das ungläubige Volk der Sarazenen» so beschreibt: «Gegen sie stellteder
princeps
Karl kühn sein Heer auf und fiel als Anführer über sie her. Mit Christi Beistand zerstörte er ihre Zelte und eilte in den Kampf, um ein großes Gemetzel anzurichten. Er tötete ihren König Abdirama, vernichtete ihn, bezwang ihr Heer, kämpfte und siegte. So triumphierte er als Sieger über die Feinde»[ 1 ].
    Die Stilisierung zu einem Kampf der Christen gegen die Ungläubigen kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es erst der Zusammenbruch der aquitanischen Herzogsgewalt gewesen ist, der den Hausmeier dazu trieb, seine Überlegenheit ebenso wie östlich des Rheins nun südlich der Loire, also überall im Merowingerreich, fühlbar zu machen. Dieses vorrangige Ziel behielt er auch in den folgenden Jahren fest im Auge, als sich die Auseinandersetzungen mehr auf das südliche Burgund und den Rhôneraum verlagerten, wo Karl die Vertreibung der eingedrungenen Mauren regelmäßig als Hebel benutzte, um lokale Machthaber zu verdrängen und durch zuverlässige Anhänger aus seinem persönlichen Umfeld zu ersetzen: «Er gab das Gebiet jenes Reiches (Burgund) seinen bewährtesten Getreuen, Männern, die tatkräftig genug waren, um aufständischen und ungläubigen Völkern zu widerstehen»[ 2 ], beschreibt der schon zitierte Chronist diese 733 einsetzende Politik, die Karl in mehrfachen Vorstößen bis nach Lyon, nach Arles und nach Marseille gelangen ließ. Die Gegner einer Vereinnahmung durch den fränkischen Norden paktierten vielerorts offen mit den Sarazenen, was Karl 737 dazu brachte, die von diesen okkupierte Stadt Avignon zu erstürmen und am Flüßchen Berre unweit von Narbonne gegen ein aus Spanien herangerücktes Heer eine weitere Feldschlacht zu schlagen, bei der er die Oberhand behielt. Von da an flauten die Kämpfe ab, zumal 738 in der Provence auch der von Karl zu Hilfe gerufene Langobardenkönig Liutprand († 744) auf den Plan trat und die Muslime in die Flucht schlug. Ihnen verblieb der septimanische Küstenstreifen um Narbonne, den erst Karls Sohn Pippin 759 einnahm.
    Die Konfrontation mit dem maurischen Spanien, die nicht auf die berühmt gewordene Schlacht von Tours beschränkt war und im Kontext der innerfränkischen Machtpolitik Karl Martells zusehen ist, hat darüber entschieden, daß im Westen Europas der Islam in seiner staatlichen Erscheinungsform letztlich nicht über die Iberische Halbinsel hinausgelangte, nachdem seine Stoßkraft im Osten bereits 717/18 vor den Mauern von Konstantinopel vorerst gebrochen worden war. Allerdings ist fraglich, ob die Herrscher in Córdoba überhaupt dauerhafte Eroberungen im Frankenreich – und nicht bloß Beutezüge («Razzien» nach einer
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