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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200
Autoren: C.H.Beck
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besetzten. Langfristig gesehen war indes der Umsturz in Spanien dazu angetan, im geschrumpften christlichen Teil des Kontinents das relative Gewicht der Franken erheblich zu steigern. Neben ihnen gab es auf dem europäischen Festland allein noch das Langobardenreich, das jedoch an weiterem Vordringen in Italien durch das Beharrungsvermögen der oströmisch-kaiserlichen Gebiete (von Venedig und Ravenna über Rom und Neapel bis nach Apulien und Kalabrien) gehindert war. Dem
regnum Francorum
dagegen boten sich nördlich der Alpen allerhand Spielräume zur Entfaltung, sobald seine Energien von einer erstarkten Zentralgewalt gebündelt wurden.
Pippin der Mittlere und Karl Martell
    So wenig wie seine Vorfahren sich durch spezifischen politischen Weitblick die führende Rolle in Austrien verschafft hatten, ist Pippin dem Mittleren nach dem Gewinn der Suprematie auch in Neustrien mehr an Zielen zu unterstellen als für sich und seine Nachkommen die errungene Vorherrschaft in der gesamten
Francia
, zumal die faktische Verfügung über die Königswürde und den exklusiven Zugang zu ihrem Inhaber, dauerhaft gegen alle Rivalen zu sichern. Dazu war es erforderlich, weiträumig auf Freunde und Verwandte unter den Großen bedacht zu sein, die ihren Vorteil darin sahen, das Regiment des Hausmeiers zu stützen, gleichzeitig aber auch die Konfrontation nicht zu scheuen mit jenen Machthabern von durchweg älterem Adel, die sich jenseits der
Francia
als «Herzöge» eigenständige Herrschaftsbereiche geschaffen hatten. In diesem Sinne hat bereits Pippin der Mittlere sich nicht mit der Festigung seiner Vormacht zwischen Rhein und Loire begnügt, sondern von 709 bis 712 auch mehrere Feldzüge nach Alemannien unternommen und früher schon seit etwa 690 viel Eifer auf die Unterwerfung der seetüchtigen Friesen verwandt, die bis dahin nicht dem Frankenreich angehört hatten. Die Entwicklung wurde durch Pippins Tod Ende 714 jäh unterbrochen, weil ihm nicht die für eine dynastische Ordnung entscheidende glatte Übergabe der Machtan die nächste Generation gelang: Seine beiden genannten Söhne hatten ihn nicht überlebt und teils unmündige, teils illegitime Enkel hinterlassen, die von der Witwe Plektrud († nach 717) gegen die Erbansprüche von Karl (Martell), einem Sohn Pippins aus einer anderen Ehe, aufgeboten wurden. Der Familienzwist spaltete den austrischen Anhang und rief alsbald von Neustrien her Kräfte auf den Plan, die ihrerseits unter Berufung auf bestimmte Merowinger Pippins Geschlecht ganz von der Macht verdrängen wollten. In einem mehrjährigen blutigen Ringen bezwang Karl bis 719 alle Widersacher und wurde zum neuen Gebieter (
princeps
) der Franken; von ihm leitet sich die gesamte weitere Dynastie ab, die wir daher als Karolinger bezeichnen.
    Im Besitz der Macht, wiederum mit dem Titel eines Hausmeiers (bei wechselnden Merowingern), zeigte sich Karl Martell von vornherein gesonnen, seine Autorität über die
Francia
hinaus bis an die äußeren Reichsgrenzen des 6. Jhs. zur Geltung zu bringen. Damit trug er den Erfahrungen aus den eben abgeschlossenen Kämpfen Rechnung, in die Friesen, Sachsen und Aquitanier gegen ihn und seine Austrier eingegriffen hatten. Offenkundig war zudem geworden, daß die auf Distanz zu den Hausmeiern bedachten rechtsrheinischen Herzöge leicht versucht waren, sich mit innerfränkischen Widersachern der Karolinger zu verbünden oder ihnen zumindest Rückhalt und Zuflucht zu gewähren. So unternahm Karl schon 718 eine Strafexpedition bis zur Weser, die sächsische Überfälle vergelten sollte und bis 738 noch weitere Vorstöße, freilich ohne feste Eroberungsabsicht, nach sich zog. In Friesland nutzte er das Machtvakuum nach dem Tod des Herzogs Radbod (719), um die von seinem Vater begonnene Unterwerfung zu vollenden, zunächst im Bereich der Rheinmündungen, 733/34 auch in den nördlichen Küstengegenden. Während die näheren Umstände ungewiß bleiben, unter denen nach 717 der mainfränkisch-thüringische Dukat um Würzburg und nach 742 das elsässische Herzogtum erloschen sind, liegt klar zutage, daß der Hausmeier bis nach Bayern ausgegriffen hat, wo mit den Agilolfingern bereits seit dem 6. Jh. ein Geschlecht mit weitreichenden dynastischen Verbindungen vorherrschte.Daß Karl dorthin 725 und nochmals 728 Feldzüge anführte, die Sturz und Tod des Herzogs Grimoald bewirkten und ihm selber in Gestalt von dessen Verwandter Swanahild eine zweite Gattin «einbrachten», läßt erkennen, wie sehr
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