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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200
Autoren: C.H.Beck
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arabischen Vokabel) – im Sinn hatten; jedenfalls hätten sie dieses Ziel mit weit weniger Entschlossenheit betrieben als noch die vorangegangene Generation die Unterwerfung Spaniens. Hunderttausende von Getöteten in der «Araberschlacht» waren erst die übersteigerte Wahrnehmung späterer Jahrhunderte, die eine immer länger werdende Geschichte des christlich-muslimischen Gegeneinanders vor Augen hatten, und entsprechen nicht dem gedämpften Echo der Zeitgenossen, für die der Islam noch ein neues und schwer einschätzbares Phänomen war. Daß es gar die
Europenses
gewesen seien, die zwischen Tours und Poitiers den Söhnen des Propheten genau hundert Jahre nach dessen Tod Einhalt geboten, ist die singuläre Ausdrucksweise einer bis 754 reichenden christlichen Chronik aus Toledo[ 3 ], die gerade nicht ein fränkisches Selbstverständnis widerspiegelt, sondern eher die Vorstellung, unter islamischer Dominanz sei Spanien kein Teil Europas.
Der Dynastiewechsel von 751
    Karl Martell, der seit 737 ohne einen Merowinger im Hintergrund regiert hatte, starb am 15. oder 22. Oktober 741, fand sein Grab als erster Karolinger in der alten Königsabtei Saint-Denis vor Paris und hinterließ aus zwei Ehen drei Söhne, unter denen sich die beiden älteren, Karlmann und Pippin der Jüngere, rasch gegen ihren Stiefbruder Grifo durchsetzten. Sie teilten sich das Reich, führten beide den Titel Hausmeier und setzten gemeinsam die Politik der forcierten Zentralisierung fort, die gegen die (bereits geschwächten) Machthaber an der Peripherie gerichtet war. Anscheinend um ihnen gegenüber wirksamer auftrumpfen zu können, setzten die beiden Hausmeier Anfang 743 noch einmal einen merowingischen Könignamens Childerich III. ein, was von den erzählenden Quellen verschwiegen wird, aber urkundlich bezeugt ist. Gewissermaßen in seinem Namen schritten Karlmann und Pippin im selben Jahr gegen Herzog Odilo von Bayern ein, der sich durch Heirat mit ihrer Schwester Hiltrud und den gemeinsamen Sohn Tassilo III. (∗ 741) unerwünscht in die Familie hineingedrängt hatte und am Lech besiegt wurde. Während Odilo sein Herzogtum (wohl mit Einbußen) behalten durfte, war Hunoald, der Sohn und Nachfolger Eudos von Aquitanien, 745 nach einer Niederlage an der Loire gezwungen, sich in ein Kloster zurückzuziehen und den Dukat seinem Sohn Waifar zu überlassen. 746 schließlich beseitigte Karlmann durch die blutige Niederschlagung eines Aufstands endgültig das alemannische Herzogtum, das zuletzt Theudebald beansprucht hatte.
    Bereits im folgenden Jahr ging die Doppelherrschaft der Brüder zu Ende, weil Karlmann «aus brennendem Verlangen nach frommer Hingabe»[ 4 ], wie versichert wird, der Herrschaft zugunsten seines kleinen Sohnes Drogo entsagte und in Rom ein geistliches Leben begann. Pippin schob das Erbrecht des Neffen bald beiseite, spätestens als ihm am 2. April 748 ein erster eigener Sohn geboren wurde: Karl, der spätere Kaiser, der zusammen mit dem 751 zur Welt gekommenen Bruder Karlmann die Zukunft der Dynastie sicherte. Als alleiniges Familienoberhaupt und einziger Hausmeier, der 749 seine Überlegenheit nochmals in Bayern, diesmal gegen den dorthin entwichenen Halbbruder Grifo, demonstrierte und seiner (inzwischen verwitweten) Schwester Hiltrud die Vormundschaft über den heranwachsenden Tassilo überließ, konnte Pippin daran denken, seine beherrschende Stellung in aller Form durch die Übernahme der Königswürde zum Ausdruck zu bringen. Gegen die Verdrängung nicht bloß des aktuellen Childerich, sondern des gesamten auf Chlodwig und den sagenhaften Stammvater Merowech zurückgehenden Geschlechts sträubte sich unter den Franken ein offenbar tief verwurzelter Legitimismus, dessen Gewicht wenigstens indirekt noch an dem Eifer abzulesen ist, mit dem die auf Rechtfertigung des «Staatsstreichs» bedachten Quellen die totaleMachtlosigkeit der letzten Merowinger ausmalen und bis zur Karikatur steigern. Um allen Einwänden zuvorzukommen, suchte Pippin aktiven Beistand von außen und entsandte 750/51 Boten an Papst Zacharias in Rom. Nach zeitgenössischem Zeugnis steht fest, daß er eine seinen Plänen günstige Rechtsauskunft erhielt[ 5 ], doch ist kaum wahrscheinlich, daß sie die 40 Jahre später von den Reichsannalen wiedergegebene abstrahierende Zuspitzung aufwies, wonach «es besser sei, der hieße König, welcher die Macht habe, als der, welcher ohne königliche Macht sei; damit die Ordnung nicht gestört werde, befahl der Papst
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