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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200
Autoren: C.H.Beck
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Bevölkerungsrückgang innerhalb des Imperiums schon seit dem 3. Jh., was eine wichtige Voraussetzung für das vermehrte Einströmen von Barbaren war. Nach 400 sorgten dann Kriege, Plünderungen und Seuchen – im griechischen Osten weniger als im lateinischen Westen – für weitere Verluste, die sich an der Schrumpfung oder gar Aufgabe vieler Siedlungen ablesen lassen. Erst im 8. Jh. mehren sich zumindest in Mitteleuropa die Anzeichen für beginnenden Landesausbau und neue Wohnplätze, doch blieben auch noch zur Karolingerzeit minder günstig gelegene Gebiete (Moor- und Heideflächen, Mittel- und Hochgebirge), die erst das nachfolgende Mittelalter urbar gemacht hat, so gut wie menschenleer.
    Besonders abträglich war der Wandel der Zeiten für die im Römerreich hochentwickelte Lebensform der Stadt, die schwerste Einbußen erlitt, wobei wiederum erhebliche regionale Unterschiede zu beachten sind. Während auf dem gesamten Balkan, im nördlichenVorfeld der Alpen sowie in Britannien von einem völligen Verfall und damit einer Angleichung an die städtelose Welt der Barbaren gesprochen werden muß, haben in Italien, Gallien und Spanien ummauerte Civitates vielfach fortbestanden, jedoch mit deutlich reduzierter Einwohnerzahl und allerhand Beeinträchtigungen im Gebäudebestand, die umso gravierender ausfielen, je weiter man vom Mittelmeer entfernt war. Die wirksamste Überlebensgarantie war eine fortwährende Mittelpunktsfunktion als Sitz eines Bischofs oder eines weltlichen Machthabers. Insgesamt ist unverkennbar, daß der Übergang vom Altertum zum Mittelalter mit einer Umkehr der sozialen Gewichtung von Stadt und Land verbunden war. Auf Kosten von urbanem Handel und Gewerbe wuchs die elementare Bedeutung von agrarischem Grundbesitz, der nicht mehr von der Stadt aus, sondern an Ort und Stelle genutzt wurde.
Wirtschaftliche Grundlagen
    Die Versorgung mit Nahrungsmitteln durch Ackerbau und Viehzucht sowie mit lebensnotwendigen Rohstoffen wie Flachs, Salz, Holz und Metallen erforderte in ganz Europa die Arbeitskraft der allermeisten Menschen und blieb doch im Ergebnis stets unsicher, weil es an technischen Hilfsmitteln zur Steigerung der Erträge und zur Abwehr natürlicher Gefahren mangelte. Mißernten und dadurch bedingte Hungersnöte waren eine ständige Bedrohung, schon weil ein unzureichendes Transportwesen keinen effektiven Ausgleich mit besser versorgten Gebieten erlaubte. Eher als kleine Einzelbauern waren den ökonomischen Risiken größere Betriebseinheiten gewachsen, die in Händen des Königtums, des Adels oder kirchlicher Institutionen lagen und einer wachsenden Anzahl von abhängigen Arbeitskräften (in abgestuften Rechtsstellungen) Schutz und bescheidenes Auskommen boten. Nicht allein im Besitz von Land, sondern erst in der Verfügungsgewalt über Menschen, die für dessen produktive Nutzung einzusetzen waren, lag die Basis für Reichtum und sozialen Vorrang. Sie schloß über die reine Feldbestellung hinaus auch verarbeitende Tätigkeiten ein und ließ eine Produktionsweise vorherrschend werden, die aufSelbstversorgung, Naturalwirtschaft und Tauschhandel ausgerichtet war. Sehr im Unterschied zum byzantinischen und zum arabischen Herrschaftsgebiet erlebte der lateinische Westen einen erheblichen Rückgang des Geldverkehrs, dem auch das allmähliche Erlöschen des römischen Steuersystems entsprach.
    Gleichwohl ist der (schon seit der Spätantike schrumpfende) Fernhandel im Mittelmeerraum zu keinem Zeitpunkt völlig zum Erliegen gekommen, auch nicht unter dem Einfluß der arabischen Expansion. Fränkischen Quellen der Merowingerzeit zufolge waren es pauschal als «Syrer» bezeichnete Kaufleute aus dem Osten, die für die Zufuhr orientalischer Luxuswaren (Gewürze, Seidenstoffe, Edelmetall, Papyrus) sorgten und nicht bloß in den Seehäfen, sondern entlang den schiffbaren Flüssen auch im Landesinnern auftauchten. Hier kreuzten sich ihre Wege mit dem Binnen- und Nahhandel, der nicht überall verfügbare Gebrauchsgüter wie Wein, Öl, Salz oder Getreide verbreitete. Von wachsender Bedeutung war der Warenaustausch mit England, Skandinavien und Osteuropa, für den Friesen und Angelsachsen eine größere Rolle spielten als die Franken selbst. An küstennahen Umschlagplätzen, die sich von Quentovic in der Pikardie über Haithabu an der jütländischen Ostsee bis Truso unweit der Weichselmündung aufreihten, wurden Wein, Keramik, Waffen und sogar Mühlsteine geliefert, um gegen Pelze, Fisch, Wachs und Honig
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