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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200
Autoren: C.H.Beck
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byzantinischen wie des persischen Reiches infolge der vorherigen Kriege, gelang es den Erben des Propheten, binnen weniger Jahre (634–642) die Kernländer des Orients, zugleich die Wiege des Christentums, unter ihre Herrschaft zu bringen und einen Gottesstaat zu etablieren, an dessen Spitze ein Kalif als «Fürst der Gläubigen» stand. Er war nicht im Besitz der monarchischen Vollgewalt römisch-byzantinischer Kaiser, da ihm die Befugnis zur Gesetzgebung wie zur Rechtsauslegung abging und sich auch die Heerführer, jedenfalls zur Zeit der stürmischen Expansion, nur bedingt seinem Befehl beugten. Dennoch war der Leitgedanke der umfassenden Gemeinschaft aller Gläubigen so mächtig, daß trotz bald auftretender innerer Divergenzen die Separierung verschiedener islamischer Reiche oder Völker (wie in der christlichen Welt) ausgeschlossen blieb. Nach einer Phase blutiger Auseinandersetzungen um das Kalifat, an deren Ende das politische Zentrum nach Damaskus verlegt wurde, kam es seit etwa 670 unter der Dynastie der Omaijaden zu einer zweiten Welle der Expansion, die sich, wenn auch vergeblich, unmittelbar gegen Konstantinopel richtete, aber in Nordafrika bis zum Atlantik vordrang. Die Grenze nach Europa wurde überschritten, als 711 ein Heer von islamisierten Berbern aus dem heutigen Marokko unter Führung von Tarik Ibn Sijad die Meerenge überwand, um sich in Thronstreitigkeiten unter den spanischen Westgoten hineinziehen zu lassen und bald deren Reich ein jähes Ende zu bereiten, indem sie die gesamte Iberische Halbinsel bis auf den äußerstenNorden (Asturien, Baskenland) okkupierten. Die Muslime verteilten sich auf feste Stützpunkte in allen Landesteilen und machten Córdoba zu ihrer Hauptstadt, wo fortan ein vom Kalifen in Damaskus legitimierter Statthalter residierte.
Frühes Slawentum
    Neben dem arabischen Weltreich, das die Byzantiner um weite und wertvolle Gebiete im Osten und Süden brachte, waren es auf dem Balkan andere Kräfte, die das Imperium von Norden her einengten. Nach dem Verschwinden germanischer Verbände, die dort im 5./6. Jh. vorherrschend gewesen waren, brachte das Vordringen der erwähnten Awaren aus Innerasien bis vor Konstantinopel vielerlei eher bodenständige, bäuerlich lebende Gruppierungen nördlich der unteren Donau in Bewegung, die sich seit etwa 550 in byzantinischen Quellen als «Slawen» apostrophiert finden. Dabei handelt es sich ähnlich wie bei dem 600 Jahre älteren römischen Germanenbegriff um eine sprachlich bedingte Pauschalbezeichnung, deren räumliche Erstreckung im Laufe der weiteren historischen Entwicklung immer größere Dimensionen annahm. Das lag nicht so sehr an beständiger physischer Ausbreitung von einer «Urheimat» aus (im Sinne einer slawischen «Völkerwanderung») als an wechselseitiger Angleichung von zuvor sprachlich und kulturell heterogenen Gemeinschaften, die sich unter awarischer Dominanz zu regionalen Siedlungsverbänden formierten. Soweit sie Überfälle auf das Reichsgebiet südlich der Donau unternahmen und sich dort dauerhaft festsetzten, fiel byzantinischen Beobachtern auf, daß sie ohne monarchische Spitze waren und angeblich alles gemeinsam regelten. Tatsächlich brachten es fehlende Christianisierung (und damit fehlender Zugang zur Schriftkultur) sowie die weiter fortgeschrittene Ruinierung spätrömischer Strukturen auf dem Balkan mit sich, daß die eindringenden Slawen anders als die Germanen im Westen des Imperiums jahrhundertelang ohne höher entwickelte Formen von politischer Organisation geblieben sind. Eine bloß scheinbare Ausnahme stellt «der erste slawische Staat» des fränkischen Fernhändlers Samo dar, der sich wohl bald nach 626 an dieSpitze eines gegen die Awaren gerichteten erfolgreichen Slawenaufstands stellte und für etwa 35 Jahre ein Reich mit vermutlichem Zentrum in Böhmen geschaffen haben soll, das einem fränkischen Angriff trotzte, aber nach Samos Tod rasch zerfallen ist. Um 700 wird im Bereich der Slawen allein die Herrschaftsbildung der Bulgaren faßbar, eines Turkvolks, das im Laufe des 7. Jhs. von der unteren Wolga entlang der Schwarzmeerküste ins Gebiet der Donaumündung eingedrungen war und sich siegreich zwischen die Awaren und das byzantinische Reich schob. Nach einer Niederlage war der Kaiser gezwungen, in einem Vertrag von 681 die eigenständige Hoheit der Bulgaren unter ihrem Anführer (Khan) Asparuch ohne Christianisierung anzuerkennen. Im antiken Moesien bildeten sie eine dünne Herrenschicht, die
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