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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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den Schrei, Kasdan. Der Vater, der Sohn und der Schrei. Das ist unsere Trinität!«
    Kasdan schwankte. Seine Lider brannten. Seine Kehle brannte. Hier herauskommen. Klettern. Bevor alles zu Ende ging.
    »Hast du keinen Sinn für die Schönheit unseres Vorhabens, Kasdan? Ein Anschlag, allein mit der Kraft der Stimme. Eine Spur der Reinheit in eurer erbärmlichen Welt. Ein Funken der Gnade in eurem Diesseits! Niemand wird es verstehen. Und genau dieses Unverständnis wird unser Lohn sein! Das Zeichen eurer Unwürdigkeit!«
    Was machte Volokine?
    Waren sie dort oben so viele, dass er gar nicht angreifen konnte?
    »Wir erschaffen den Neuen Menschen, Kasdan! Wir müssen ihm Platz machen! Das ist das Grundgesetz der Evolution. Alles, was früher geschehen ist, war nur ein Vorspiel. Kommt heraus und werft euch nieder! Ihr müsst einen Beitrag leisten zu dem unaufhaltsamen Marsch unseres Fortschritts! Ihr müsst euch dem Willen Gottes beugen!«
    Kasdan fiel auf die Knie. Tränen liefen ihm übers Gesicht. Die Atemnot schnürte ihm die Kehle zu. Sein Körper briet wie in einem Grill. In einigen Sekunden würde er ohnmächtig werden. Volokine. Eine Stimme seufzte tief in seinem Kopf. Volokine …
    Das erste Mal .
    Die Felswand hatte keine Probleme bereitet. Er hatte sie in wenigen Sekunden erklommen. Jetzt war er nur noch zwei Meter von der Oberfläche entfernt. Zwei Meter trennten ihn von den Schützen. Auf den Fersen hockend wie ein Affe. Die Füße gegen eine Kante gelehnt. Sich mit den Händen an einer anderen Kante abstützend.
    Das erste Mal.
    Er würde zum ersten Mal eine Waffe benutzen. Nun war der Moment gekommen, jene Gesten umzusetzen, die er vor seinem Spiegel Tausende Male wiederholt hatte, mit leerem Magazin und geschlossenen Augen. Wie viele waren dort oben? Wie viele konnte er umlegen, bevor er einen Feuerstoß kassieren würde?
    Er suchte sich einen neuen Halt. Ein Meter von der Oberfläche entfernt. Kauerte sich wieder wie ein Affe hin. Mit einer Hand zog er seine Heckler & Koch. Überprüfte den Verschluss. Die Sicherung. Vergaß zu beten. Zählte bis drei.
    Eins, zwei …
    Er sprang hinter der Felsnische hervor.
    Rollte sich im Gras ab und richtete sich mit gebeugten Knien auf, den Feind mit einem Blick erfassend. Sie waren zu fünft. Plus Hartmann. Zwei auf seiner Seite des Felsspalts. Drei auf der anderen. Der Führer beugte sich über die Abbruchkante und brüllte seine Wahnideen in die Tiefe. Zwischen ihnen entwich die Gaswolke wie aus einer Höllenspalte. Bevor sie begriffen, was geschah, stemmte Volokine die Beine fest gegen den Boden. Er hob beide Hände und winkelte sie etwa 45 Grad nach unten ab. Atmete ein. Hielt die Luft an.
    Zweifaches Drücken auf den Abzug.
    Ein Typ wurde nach hinten geschleudert und ließ sein automatisches Gewehr fallen.
    In einem Sekundenbruchteil gelangte Volo zu dem Schluss, dass der Überraschungseffekt noch anhielt und dass er einen zweiten Schuss versuchen konnte. Er drehte sich. Atmete ein. Hielt die Luft an. Feuerte. Zwei Schüsse plus ein weiterer. Der zweite Mann am Boden. Hartmann war verschwunden.
    Ein Feuerstoß schoss durch die Luft und zischte durch die Gasschwaden. Der Russe ließ sich mit gesenkten Armen ins Gras fallen. Seine Hände zitterten noch von dem Rückstoß der Waffe. Mit einem Satz sprang er auf. Zehn Jahre Thai-Boxen halfen ihm dabei. Die Arme anheben. Schläge austeilen. Eins. Zwei. Drei. Durch den Rauch sah er, wie ein Mann zu seiner Linken unter der Wucht des Schlags herumwirbelte. Ein anderer feuerte. Ohne sich zu bewegen, erwiderte Volo das Feuer. Die heiße Waffe brannte in seiner Hand. Einer seiner beiden Gegner brach zusammen. Der andere feuerte noch immer wild drauflos. Volo zog sich hinter den Geländewagen zurück.
    Rauch. Stille. Es schien ihm, als hätte er sein letztes Ziel getroffen, aber er war sich nicht sicher. Aus dem hintersten Winkel seines Bewusstseins tauchte eine Frage auf. Wo war Hartmann? Hinter einem roten Schleier gewahrte er, dass der Verschluss seiner Pistole offen stehen geblieben war. Das Magazin war also leer. Mit einem Schubs schleuderte er es heraus. Nahm ein neues. Schob es in den Kolben.
    Schritte. Ein Blick. Schatten, die sich auf der anderen Seite des Spalts im beißenden Rauch abzeichneten. Mindestens zwei der Mistkerle standen noch. Ein Zerberus und Hartmann selbst. Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Kasdan? Die beiden Männer, die sich hinter dem zweiten Geländewagen verschanzt hatten. Instinktiv
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