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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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schob er das Moos zur Seite und wagte einen Blick.
    Niemand.
    Er steckte den Kopf hinaus und sah sich um.
    Niemand.
    Er schob sich bis zur Taille hinaus, reckte den Kopf und blickte sich um.
    Wirklich niemand .
    Die Jungen waren weg.
    Einstweilen war er gerettet.
    Er kletterte aus der Höhle heraus und zog den Knaben ins Freie.
    Ziemlich übel zugerichtet, aber am Leben.
    Er durchsuchte ihn. Keine Waffe. Kein Funkgerät.
    Nichts, was ihm im Augenblick weiterhelfen konnte.
    Er rollte den Körper unter den Fels und betete, dass der Junge das Bewusstsein nicht so schnell wiedererlangte.
    Er lief in Richtung des Sonnenaufgangs los.
    Die Jagd ging weiter.

KAPITEL 81
    Kasdan hatte keine Chance.
    Dreiundsechzig Jahre.
    Hundert Kilo erschöpftes Fleisch.
    Auf den Beinen gehalten von Neuroleptika und Antidepressiva.
    Von Hunger, Müdigkeit und Angst heimgesucht.
    Ein schwerer, unbeweglicher Klotz, der einer Bande von Verrückten gegenüberstand, die in der Blüte ihrer Jahre standen, motorisiert waren und über Sturmgewehre verfügten.
    Kasdan marschierte. Er marschierte, wie er in Kamerun durch den Busch Richtung Nigeria marschiert war. Er marschierte wie ein Roboter. Verließ sich vage auf seinen Joker: Sein regelmäßiges Lauftraining, das ihm erlauben würde, loszurennen, wenn es wirklich brenzlig würde.
    Im Moment versuchte er sich zu orientieren. Zu seiner Rechten ging die Sonne auf. Im Osten. Es schien ihm, als wären sie seit Arro, das im Süden der Kolonie lag, ständig geradeaus gefahren. Er ging also auf die Kolonie zu. Das war nicht unbedingt etwas Schlechtes. Hartmann alias Rochas würde mit seinem Orientierungssinn rechnen und annehmen, dass er versuchen würde, dem Albtraum – der Kolonie – zu entfliehen. Mithin marschierte er in die Richtung, in der man ihn am wenigsten vermuten würde. Diese kleine List konnte ihm zum Vorteil gereichen …
    Sobald er den Sicherheitszaun erreichte, würde er improvisieren. Aber er war sich sicher, dass er in der unmittelbaren Umgebung der Kolonie Asunción mehr Chancen hätte, sich durchzuschlagen, als in der Steppe. Statt in die Heide zu fliehen, war es besser, sich dicht an die Mauern und die massiven Bauten halten und sich unter Menschen mischen.
    Er sah auf seine Uhr. Die zehn Minuten Vorsprung waren längst vorbei. Wo war der Feind? In die falsche Richtung gelaufen? Es war recht einfach, die Truppen aufzuteilen und die Ebene nach den vier Haupthimmelsrichtungen abzusuchen. In kurzer Zeit, sehr kurzer Zeit würde ihm ein Geländewagen auf den Fersen sein. Angesichts dieser Möglichkeit suchte er sein Gesichtsfeld ab und verspürte eine tiefe Hoffnungslosigkeit. Kein Unterschlupf, kein Versteck auf dieser gleichförmigen, kahlen Ebene, die sich bis zum Horizont erstreckte.
    Motorgeräusche. Zunächst ein undeutliches Surren, wie der Lärm eines Flugzeugs, dann das deutlicher vernehmbare Dröhnen eines Fahrzeugs, das mit gleichbleibend hoher Geschwindigkeit durch die Spurrillen und über die Unebenheiten raste. Kasdan warf einen Blick dorthin. Ein schwarzer Geländewagen schoss in einer Wolke aus Staub und herausgerissenen Gräsern auf ihn zu.
    Kasdan lächelte bei dem Gedanken an das Ungleichgewicht der Kräfte.
    Es ist Zeit, sich zu ergeben, alter Freund.
    Er lief schneller, wie er es jeden Morgen im Bois de Vincennes tat, wobei er zunächst nur kleine Schritte machte, um seinen Körper langsam aufzuwärmen. Aber er blieb nicht lange in diesem Tempo. Durch das zügige Gehen in den letzten Minuten waren seine Muskeln bereits gelockert. Er legte einen Zahn zu, und dann noch einen.
    Als das Fahrzeug tatsächlich in seinem Rücken war, spurtete Kasdan bereits – er spürte, wie die Rädchen seines Körpers glatt ineinandergriffen. Er hörte das Aufheulen des Motors. Der Wagen kämpfte mit den Löchern, den Buckeln, den Felsen. Kasdan spürte, wie der Schatten des Fahrzeugs näher kam. Unvermittelt schlug er einen Haken und lief noch schneller. Noch eine Richtungsänderung. Dieses Katz-und-Maus-Spiel würde nicht lange dauern. Da war kein Hindernis, bei dem er Zuflucht suchen konnte. Trotz der Unebenheit des Bodens blieb ihm das Auto mühelos auf den Fersen.
    Aufheulen des Motors. Seine Verfolger waren nur noch einen Meter entfernt. Er brach mit einem abrupten Hüftschwung nach rechts aus. Dann nach links. Sah sich kurz nach hinten um. Was er zwischen zwei Atemzügen sah, verhieß ihm sein sicheres Ende. Ein Mann stand auf dem Trittbrett. Er war an dem Dachgepäckträger
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