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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag
Autoren: Frau Freitag
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, spielte unentwegt mit seinem Gebetskettchen und las ständig in einer deutschen Übersetzung des Korans.
    Deutsche heißen in unserer Schule übrigens grundsätzlich Kartoffeln. Die Schüler nennen uns zwar nicht dauernd so, aber wenn jemand sagt: »Das war die Kartoffel in Ihrer Klasse«, dann weiß jeder, dass der Schüler keinen Migrationshintergrund vorweisen kann.
    Mein Kollege Herr Werner sagte neulich: »Ich bin der ein zige Deutsche in meiner Klasse.« Also, ich weiß gar nicht, was alle haben. Integrieren ist doch easy. Der Trick ist einfach, eine moslemische Mehrheitsgesellschaft zu schaffen.
    7. Klasse, Vertretungsunterricht. Ich lasse die Schüler was zeichnen. Ein Gruppentisch ist ziemlich laut. Ich höre mehrfach die arabischen Wörter »Chara« (Scheiße) und »Scharmuta« (Hure). Irgendwann reicht es mir. Ich stürze an den Tisch und schreie »Challas!« (lass das!). Die Jungen gucken mich verwirrt an. Ich sage: »Istrele!« (arbeitet).
    Keiner reagiert. »Was ist, verstehst du das nicht?«, frage ich den einen und gucke sehr böse. »Ich kann kein Arabisch, ich bin Kurde.«
    »Aber du«, wende ich mich an den Nächsten. »Du verstehst das doch.«
    »Nee, ich bin aus Polen.«
    Der Dritte war Türke, und dann saß da noch ein Junge mit
    einer thailändischen Mutter, der jedoch nur Deutsch sprach. Aber auf Arabisch fluchen, das geht. Wenn wir die Schüler nicht da abholen, wo sie sind, dann machen das eben die Mitschüler. Und irgendwie ist es doch auch schön, wenn sie was lernen. Wie könnte ich als Fremdsprachenlehrerin nicht begeistert sein, wenn sich meine Schüler freiwillig mit anderen Kulturen auseinandersetzen?
    Mein Türkisch wird von Tag zu Tag besser und mit dem Arabisch – na ja, ich arbeite dran. Is auch schwer, vallah ! Diese ch-Laute sind eher was für Schweizer. Elterngespräche auf Türkisch klappen aber schon ganz gut. Übersetzt gehen die ungefähr so:
    »Öretmen Erhan.« (Ich Lehrerin Erhan.)
    »Erhan hayir cok güzel Englisch.« (Erhan nein sehr schön Englisch.)
    »Erhan immer Handy.« (Handy ist universal verständlich.)
    »Erhan Kunst cok güzel.« (Erhan Kunst sehr schön.)
    »Erhan Englisch hayir, hayir.« (Erhan Englisch nein, nein. »Schlecht« kenne ich noch nicht.)
    Ich mache ein trauriges Gesicht. Mutter Erhan auch.
    »Aber Erhan guter Junge.« (Ersguterjunge heißt Bushidos Plattenlabel.)
    »Memnum oldum Erhan.« (Sagt man eigentlich zur Begrüßung und heißt so viel wie »ebenfalls angenehm«.)
    Mutter wieder happy. Frau Freitag auch happy. Erhan auch happy. Fertig.
    Man kann sogar mit noch weniger Wörtern ein zufriedenstellendes Elterngespräch am Telefon führen. Als Derya, ein Mädchen aus meiner letzten Klasse, wieder einmal schwänzte, rief ich wütend bei ihr zu Hause an und hatte gleich ihren Vater an der Strippe: »Efendim.«
    »Guten Tag, hier spricht Frau Freitag, ich bin die Klassenlehrerin von Derya. Ich wollte fragen, warum sie nicht in der Schule ist.«
    »Derya?«
    »Ja, Derya, Ihre Tochter.«
    »Derya Schule!«
    »Nein, Derya nix Schule. Hier ist die Schule. Ich bin Schule.«
    »Derya Schule!«
    »Derya nix Schule!«
    Der Vater stockt kurz: »Derya nix Schule?«
    »Nein.«
    Vater: »Danke.«
    Zufrieden denke ich: Na, das lief doch wunderbar. Der Vater hat doch genau verstanden, was ich ihm mitteilen wollte. Und tatsächlich kam Derya am nächsten Morgen wütend auf mich zu: »Toll, Frau Freitag, vielen Dank! Nur weil Sie gestern angerufen haben, lässt mein Vater mich jetzt nicht mehr mit auf die Klassenfahrt.«
    Deryas Vater dazu zu überreden, sie doch mitfahren zu lassen, war dann allerdings noch eine ziemlich schwierige Angelegenheit.
    Ein Schüler hat mir neulich »Inshallah tmout« beigebracht. Das heißt: »Hoffentlich stirbst du.« Mal sehen, wie ich das in das nächste Elterngespräch einbauen kann.
    Elterngespräche sind überhaupt das Highlight des Lehrberufs. Da viele meiner Schüler Eltern haben, die nicht arbeiten, kann man sich die Erziehungsberechtigten nach Lust und Laune in die Schule einbestellen. Aus Zeitmangel beschränkt sich der Durchschnittslehrer allerdings darauf, die Eltern kommen zu lassen, wenn es Probleme gibt.
    Bei jedem Elterngespräch höre ich Ähnliches, wenn es mit dem Kind nicht so richtig läuft: »In Grundschule war alles okay, nie Probleme, aber dann Oberschule. Wir wollten ja nicht hier Schule, aber bei uns gab’s nur Gymnasiumschule. Und dann hier, hat er falsche Freunde gehabt.«
    In den
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