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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag
Autoren: Frau Freitag
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…«
    Ich schalte den CD-Player ab. »Hat irgendjemand irgendwas verstanden?«
    »Geht um Geld und Bitches«, sagt Emre.
    »Geld ja, Bitches habe ich jetzt nicht gehört. Aber wir lesen den Text gleich noch mal.«
    Es folgt ein schlimm-stotterndes Vorlesen und ein mühsames Übersetzen.
    »Okay, wie will die Frau aus dem Lied denn an Geld kommen? Sie nennt zwei Möglichkeiten.«
    »Jackpot, in Las Vegas.« – »Und einen reichen Typen hei raten.«
    »Genau. Und sind das gute Pläne? Abdul? Emre?«
    Emre: »Also, ich finde nicht. Ich würde schwarzarbeiten.«
    Esra meldet sich: »Emre will elf Kinder und dann vom Kindergeld leben.«
    »Ja, aber da muss er erst mal eine Frau finden. Emre, findest du das denn gerecht, wenn du schwarzarbeitest und dann noch vom Kindergeld lebst? Überleg mal: Was wäre denn, wenn alle so denken würden wie du? Wie würde dann die Welt aus sehen?«
    Emre grinst: »Ich glaube, dann würden auf der Straße so Rehe rumlaufen.«
    »Na, ich denke eher, dass es dann überhaupt nichts mehr gibt, weil niemand mehr Steuern zahlt. Und dann würdest du auch kein Kindergeld bekommen. Woher denn? Wer sollte das denn dann bezahlen?«
    Abdul: »Frau Freitag, warum macht Deutschland das eigentlich, mit dem Kindergeld und dem Hartz 4?«
    Ich erkläre den Sozialstaat. Wie immer sage ich dazu, dass nicht jedes Land auf der Welt sich so etwas leistet. Irgendwann unterbricht mich Abdul: »Eigentlich müsste man Deutschland die Füße küssen.«
    »Da hast du recht. Aber es würde schon reichen, wenn ihr später einen legalen Job hättet, Steuern zahlen und die Schulbücher nicht kaputt machen würdet. EMRE, NICHT DIE SEITEN SO KNICKEN, DAS BUCH KOSTET 20 EURO!«
    Wir reden wieder mal über Steuern. »Was wird denn alles von den Steuern bezahlt?«, frage ich. Ahnungslose Gesichter. Nach langem Nachdenken sagt Ronnie: »Schulen.«
    »Ja, genau, Schulen, der Strom hier, die Schulbücher und auch die Gehälter der Lehrer.«
    Abdul: »Greifen Sie denn auch dem Staat in die Tasche?«
    Noch mal schnell den Unterschied zwischen legaler und illegaler Arbeit erklärt, dann frage ich die Schüler wieder: »Aber
    was wird denn noch bezahlt?«
    Sabine: »Essen?«
    Esra: »Strom?«
    Ich bringe sie auf die richtige Spur: »Polizei, Straßen …«
    Emre: »Supermärkte?«
    Esra: »Die Banken?«
    Ich werde den Bund der Steuerzahler mal um eine genaue Auflistung bitten. Mit den Banken haben sie ja nicht mal unrecht, aber in dieser Stunde schaffe ich es einfach nicht mehr, die Bad Banks zu erklären. Wir schweifen ab zur Tabaksteuer. »Emre, wenn du Zigaretten kaufst, dann geht mindestens die Hälfte deines Geldes an die Steuer.«
    Emre: »Ich kaufe mir gar keine Zigaretten. Ich rauche gar nicht richtig.«
    Ich sage: »Na, ich zahle jede Menge Tabaksteuer.«
    Abdul: »Danke, Frau Freitag.«
    Sarah: »Wenn Sie rauchen, warum sind dann Ihre Zähne so weiß?«
    Ich: »Putzen.«
    Abdul: »Sie bleicht Zähne.«
    Ronnie: »Sind Ihre Finger schon gelb vom Tabak?«
    Ich halte ihm beide Hände unter die Nase: »Na, ihr kennt euch ja gut aus.«
    Sarah: »Warum sind Ihre Lippen nicht blau? Vom Rauchen werden doch die Lippen blau.«
    Ich: »Ja?«
    Dann klingelt es.
    Opferlehrer
    Gerne werde ich bei Gesprächen über meinen Beruf von Nicht-Lehrern gefragt: »Macht dir das Spaß?« Spaß? Warum wollen die immer wissen, ob mir das Spaß macht? Frage ich den Finanzbeamten als Erstes, ob ihm sein Beruf Spaß macht? Wird der Polizist nach dem Spaßfaktor gefragt? Danach kommt in der Regel das Unweigerliche: »Na, ich könnte das nicht.« Musst du ja auch gar nicht. Aber warum verlaufen diese Gespräche immer so? Ich sage doch auch nicht: »Oh, du arbeitest beim Fernsehen, macht dir das Spaß? Na, ich könnte das nicht.«
    Glück hat man allerdings, wenn man auf Referendare trifft. Mit denen kann man sich stundenlang über die Schule unterhalten. Die hängen mir an den Lippen, weil sie glauben, dass ich ihnen genau die heißen Tipps geben kann, die sie aus ihrem Elend befreien. Am liebsten würden sie jedes Wort mitschreiben.
    Diese armen Referendare, sie haben mein ganzes Mitgefühl. Ich leide geradezu stellvertretend, wenn ich sie sehe. Und Erinnerungen werden wach an all diese herrlich bescheuerten Unterrichtsbesuche. Besuche, ha, wenn ich das schon höre, is ja wohl reine Ansichtssache, ob das ein Besuch ist. Klar, der Seminarleiter kommt zu Besuch und eventuell werden ihm noch Kaffee und Kekse gereicht, aber man selbst hat ja wohl eher das
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