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Chill Bill (German Edition)

Chill Bill (German Edition)

Titel: Chill Bill (German Edition)
Autoren: Roger M. Fiedler
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willkommen. Jedoch der Bus wartete draußen. Durch rhythmisches Hupen wies der Fahrer auf seinen Fahrplan hin.
    »Eiß?«, frug Edgard auf dem Weg zur Haltestelle und erschöpfte damit seinen deutschen Wortschatz. Sein Englisch half auch nicht bei der Verständigung. Erst als er auf die Schweißperlen an Vincents Stirn deutete und sich dabei ein seidenes Taschentuch durchs Gesicht wischte, kam so etwas wie Konversation zu Stande.
    »-eiß!« Vincent nickte. »Wohin fahren wir?«
    Eine Frage, die im Orkus des Sprachwirrwarrs unterging. Edgard war damit beschäftigt zu erklären, dass der Bus klimatisiert sei. Normalerweise. Heute nämlich, das bemerkte Vincent von selbst, war die Klimaanlage defekt und die Temperatur im Innenraum hielt sich ein paar Grad über den vierzig, die mittlerweile draußen herrschten. Die Ausrüstung hatte Edgard offensichtlich vergessen. Daran ließ sich jetzt nichts mehr ändern, Auskunft über die Gründe zu verlangen schien zwecklos. Edgard hörte ohnehin keine Fragen. In unaufhaltsamem Redefluss, nur von gelegentlichen Atemzügen unterbrochen, sang er sich gen Innenstadt. Vororte flogen vorbei wie Operettenkulissen. Auch unabhängig von dem Gebrabbel schien es, als läge ein eigenartiges Summen in der Luft.

BAD-VIBS
    »Im Stadtzentrum starben am frühen Nachmittag drei Militärpolizisten, als Unbekannte auf der Avenida Brasil vor dem Hotel Windsor zu schießen begannen. Die Polizei sprach von einer regelrechten Exekution als Vergeltungsmaßnahme der
Traficantes
. Anonyme Hinweise bezichtigten Pedrinho Malucos Bruder, an dem Attentat beteiligt gewesen zu sein.
    Die ermordeten Militärpolizisten, hieß es, hatten keine Chance. Sie waren für eine Auseinandersetzung mit organisierten Verbrechern weder geschult noch ausgerüstet. Den
Traficantes
, die mit Schnellfeuerwaffen und Maschinengewehren anrückten, konnten sie nichts entgegensetzen.
    Zudem trafen sie die Schüsse aus zwei langsam fahrenden Autos völlig unvorbereitet. Bevor irgendwer begriff, was vor sich ging, hatten die Attentäter schon einige Dutzend Mal gefeuert und waren unerkannt geflüchtet.
Sargento
Viana,
Cabo
Reinaldo Moura und
Soldado
Carlos Alberto Dourado blieben tot auf dem Pflaster zurück.
    Nach Polizeiangaben war die Einheit, denen die MPs angehört hatten, an der Erstürmung des Cabuçu nicht beteiligt gewesen. Lediglich eines ihrer Fahrzeuge hatte an dem Tag zufällig in der Gegend gestanden.«
    »Man kann sich eben im Leben auf nichts verlassen«, bemerkte der
Côco
-Mann und ließ das Beil in die Kokosnuss auf seiner Hand schnappen. Die Nachrichten waren vorbei und sein Radio plärrte nun wieder Sambaklänge. Die Nuss ließ sich problemlos öffnen. Er reichte sie über die Theke und strich das Geld ein, zwei fünfzig.
    An fast allen
Côco
-Buden mussten die Kunden für einen eisgekühlten
Côco
drei
Reais
zahlen, nur die Stände am äußersten Rand der Bucht waren billiger, weil die Touristen einen weiteren Weg hatten. Die Grenze zwischen teuer und billig lag genau im Schatten des Meridien-Hotels.
    Von seinem Stand aus hatte der
Côco
-Mann einen herrlichen Blick über die Bucht von Copacabana, den weiten Sandstrand, die Küstenstraße Avenida Atlântica, die Hochhaustürme, die sich an ihr entlangreihen, die Hügelkette, welche Copacabana und Leme vom Rest der Stadt trennen, und den Zuckerhut mit seiner Gondelbahn im Hintergrund. An diesem Morgen wirkte Copacabana beschaulich, trotz der Unmassen von Beton, die hier in den letzten dreißig Jahren geflossen waren, trotz des erdrückenden Verkehrs in den Häuserschluchten und der Allgegenwart von Kriminalität auf den Straßen. Rio, sagt man, sei der endgültige Sieg der Phantasie über die Realität.
    Der
Côco
-Mann hätte es etwas anders ausgedrückt. Seine Machete köpfte munter Kokosnüsse, denn die Konjunktur versprach heftig anzuziehen: Wie jeden Morgen traf im Schatten des Meridien der Bus vom Flughafen ein. Er war rosa. So rosa wie die Haut seiner Passagiere. Und wenn der frische Wurf des letzten Überseefluges sich um die Ladeluke drängte, um unter Gezeter und Gezerre an die Koffer zu gelangen, verstand jeder Beobachter, wie sie zu dem Namen gekommen waren, mit dem die einheimische Geschäftswelt sie bedachte.
    »
Oi! Fresquinhos!
«, jubelte die Frau am
Côco
-Stand angesichts der Frischlinge, wodurch sich der Verdacht des
Côco
-Mannes erhärtete. Seine Kundin war ein Er. Er selbst gelegentlich eine Sie und unter dem Namen Côco-Chanel szenebekannt.
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