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Chill Bill (German Edition)

Chill Bill (German Edition)

Titel: Chill Bill (German Edition)
Autoren: Roger M. Fiedler
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länger warten. Das heißt, sie probieren es.«
    »Und was tust du, wenn sie dich zu lange warten lassen?«
    »Ich verschwinde.«
    »Kann ich mir vorstellen, dass du das machen würdest. Bist so ein Typ, der fünf Minuten, bevor die Frau da ist, verschwindet, nur weil sie nicht pünktlich kommt.« Corelli fiel schlaff in die Kissen zurück.
    Vincent hielt die Klappe. Das Thema Frauen gehörte nicht zu seinen stärksten.
    »Das heißt, du lässt dir eine Frau entgehen, nur weil sie sich verspätet.«
    »Jo.«
    »Das ist doch Blödsinn.« Das Bett gab gequälte Laute von sich. »Wenn ich das richtig sehe, mein Lieber …« Corelli erschien in der Badezimmertür, »… entgehen dir nach deiner eigenen Rechnung auf diese Weise gerade die besten Frauen. Denn die anderen kommen ja pünktlich.«
    Vincent hob das Kinn. Er nahm die Klinge vom Hals und betrachtete den feinen roten Strich auf der Haut. Ein Tröpfchen Blut vermischte sich mit dem Rasierschaum.
    Reïnha war nicht da. Klar war sie nicht da. Nach dem sechsten Milchkaffee hatte es auch Vincent begriffen. Corelli hielt einen seiner Vorträge über das, was er die ›Frauenfrage‹ nannte. Im Café Mab’s wimmelte es von Schönheiten, die Hälfte von ihnen waren als Mann zur Welt gekommen. »Die mit den Federboas«, sagte Corelli und Vincent versteinerte zusehends. »Übrigens sind sie alle Nutten.«
    »Was?«, fragte Vincent und zuppte sich das Pflaster vom Hals.
    »Das hier«, erklärte Corelli von neuem, »sind alles Prostituierte.«
    Vier Kilometer Sandstrand, vier Kilometer knackige braune Ärsche, jeder trug ein Preisschild, Vincent hatte nichts gemerkt.
    »Siehst du den Kerl mit dem Schlachtmesser?« Corellis Bierglas beschrieb einen weiten Bogen vom Tisch aufwärts in Richtung Strand und hielt in der Luft an. Ein Teil der Ladung schwappte in Côco-Chanels Richtung. »An seiner Bude treffen sich nachts die Transen.«
    Kaum hatte Vincent seinen Blick über die Avenida in Richtung Strand gelenkt, schwenkte Corellis Glas in die Gegenrichtung. Ein Pritschenwagen mit zwanzigtausend Watt Musikleistung rollte durch die Prado Junior, damit auch niemand vergaß, dass der Karneval näher rückte. Edgards Hüften zuckten dort in den Schallwellen zwischen einem halben Dutzend halbnackter Gestalten, jede mit einer Boa behängt. Corelli ließ seinen Blick auf dem zuckenden Verbindungsmann ruhen, führte das Glas zum Mund und lehnte sich zurück. »Also, wenn du mich fragst, Edgard hat keinen Schimmer von unserem Auftrag.«
    Der Sambalärm fraß jedes weitere Wort. Man sah, dass Vincent den Mund öffnete und eine einsilbige Frage schrie, doch hören konnte man nichts.

LIQUIDAÇÃO
    16. Februar: Im Rio Sul Shoppingcenter herrschte großer Andrang. Die Handtaschenräuber und Ladendiebe machten einen guten Schnitt. An einem der ersten Tage des Sommerschlussverkaufs wurde einer von ihnen zu seinem Unglück auf frischer Tat gefasst. Die Militärpolizei führte ihn in Handschellen ab. Er wurde erschossen.
    Die Beamten waren dumm genug, es vor laufender Kamera zu tun. Der begnadete Karikaturist von
O Dia
, der großen Tageszeitung aus Rio, zeichnete die MPs bei der Arbeit und setzte in den Hintergrund ein großes Schild mit der Aufschrift ›
Liquidação no Rio Sul
‹. Daraufhin entspann sich eine wütende Diskussion um die brutalen Methoden der Polizei, um illegale Waffen und eine fehlende Aufsicht der Sicherheitsorgane. Der ›Sommerschlussverkauf im Rio Sul‹ war in aller Munde, und das Kaufhaus musste seine Werbeplakate dafür entfernen, denn inzwischen stand die zweite Bedeutung von ›
Liquidação
‹ so sehr im Vordergrund, dass jedermann dabei nur noch an die Liquidierung von Personen dachte.
    Der Bürgermeister von Rio hätte den Jungs von der MP zu gerne das Fell über die Ohren gezogen. Sie sägten an seiner politischen Karriere. Über das medienwirksame Attentat auf die drei MPs vor dem Hotel Windsor sprach niemand mehr. Stattdessen wurden die Soldaten in der Presse durchgeprügelt. Der Bürgermeister bestellte den Chef der Militärpolizei ein und legte ihm eine diskretere Arbeitsweise nahe. Der Chef der MP,
Coronel
Alfonso Francisco De Las Freitas, zeigte sich zerknirscht. Auch seine politische Karriere stand auf dem Spiel und die bedeutete ihm mehr als die seines Vorgesetzten. Er saß auf einem Pulverfass.
    Vor den Kameras räumte De Las Freitas sichtlich mitgenommen ein, es sei ein Akt der Barbarei geschehen. Er sprach von einem traurigen Einzelfall. Diese Tat
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