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Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Titel: Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)
Autoren: Peter Bergmann
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Zusammenprall intelligenter Wesen kommt es mitunter zu chaotischen, völlig unvorhersehbaren Ergebnissen. Im Großen und Ganzen ist das System jedoch ein Erfolg. Gerade in der Entwicklung früher Hochkulturen wirkt häufig schon ein kleiner Schubs wie ein Treibsatz. Oft hat es mit Bauwerken zu tun, die Zentren bilden und sich zu Anziehungspunkten auswachsen. Manchmal sind es schlichte naturwissenschaftliche oder medizinische Kenntnisse. Am schwierigsten ist es, die passenden eingeborenen Individuen für eine erfolgreiche Übertragung ausfindig zu machen. Sie müssen einen gewissen Grad an Reife erreicht haben, sonst funktioniert es nicht. Ich bin lange genug auf der Erde und kann euch sagen: Es ist kein einfaches Geschäft.
    Jedenfalls bin ich froh, dass er sich gerade finden lässt. Ich streife und wandere gerne. Es ist eine schöne Welt.
    Ich drücke vorsichtig gegen das Mauerwerk. Es soll nicht zu viel Lärm machen. Ganz ohne geht es aber nicht. Ich lasse mir Zeit. Dann stehe ich in der Nische. Wenig Leben hier. Die Räume sind verlassen. Er wandert wieder. Mit einem Mal weiß ich, was an mir nagt. Ich habe mich gelangweilt. Seit ihr Radio, Funk und Fernsehen entwickelt habt, war es auch für mich abwechslungsreicher. Ich weiß alles, wirklich alles, über euch. Ihr seid so komisch grausam, meine Lieben. Und zugleich so grausam komisch. Sehr amüsant. Dennoch: Ich habe mich gelangweilt. Das ist für ein Wesen wie mich wirklich äußerst ungewöhnlich.
    Ja, er wandert wieder. Er wandert und sucht. Langsam folge ich dem unruhigen Licht. Seine neuen Besitzer haben die fallenden Steine gehört, sie beeilen sich. Sie haben Angst. Kein Zweifel: Ich bin wieder unter Menschen.

11___
    „Was zum Teufel...?“
    Antonio stand neben Chiara. Beide starrten auf den Gegenstand, der in einer Truhe lag, die vor fast 300 Jahren versiegelt und eingemauert worden war. Eigentlich durfte es so einen Gegenstand nicht geben. Er glich keinem anderen, den sie jemals gesehen hatten. Aber das traf gar nicht den Punkt. Es durfte ihn nicht geben wegen des schwachen Lichts, das aus kleinen Schlitzen und geometrischen Formen in seiner matten Oberfläche strahlte. Zunächst nur grünliches Licht, jetzt auch oranges Licht, blassblaues Licht - künstliches Licht, jedenfalls. Niemand hätte sich darüber aufgeregt, wenn das Ding in einem High-Tech-Laden herumläge. Oder auf einer Erfindermesse. Eben ein besonders futuristisch designter Receiver, Tuner, Mixer oder Player. Doch es lag in einer Truhe aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
    Wieder hörte Chiara das Geräusch aus den Tiefen des Weinkellers. Diesmal ertönte es lauter und dauerte länger.
    „Was ist das?“ flüsterte sie.
    „Eine Ratte?“
    „Die werfen keine Steine auf den Boden. Gerade so hat es geklungen.“
    „Und was bitte ist das?“ fragte Antonio und deutete in die Truhe.
    Das Geräusch wiederholte sich. Chiara spürte, wie sich die feinen Härchen in ihrem Nacken und entlang ihrer Wirbelsäule aufrichteten.
    „Das überlegen wir später. Komm!“
    Ohne zu zögern griff sie in die Truhe und hob das Ding heraus. Es fühlte sich leicht und kühl an, und angenehm zu halten. Sie drückte es Antonio in die Hände, denn darunter hatte sie noch etwas entdeckt. Zwei dünne, in Leder gehüllte Päckchen. Sie schlug das Leder zurück und fand einen eng beschriebenen Pergamentbogen. Es handelte sich um Manuskripte, alte Handschriften! Trotz ihrer Anspannung machte Chiaras Herz einen Freudensprung. Sie hüllte ihren Fund wieder in die ledernen Umschläge und drängte Antonio aus der Kammer.
    Kurz standen sie still und horchten. Alles schien ruhig, dennoch war Chiara überzeugt davon, dass irgendwo in der undurchdringlichen Schwärze der endlosen Gänge und Gewölbe etwas Seltsames vorging. Etwas Unerklärliches. So unerklärlich wie das leuchtende Ding, das Antonio fest gegen seine Brust presste. Sie traten in den Hauptgang. Im Lichtkegel ihrer Lampen sahen sie nur alte Mauern, Schmutz und Staub. Dann erneut ein Geräusch. Lauter und näher diesmal. Ganz bestimmt keine Ratte. Sie hätten nachsehen können. Aber plötzlich tauchten die Phantasien ihrer Kindheit wieder auf. Die erwachten Monster des Weinbergs, die sie sich bis in die schrecklichsten Details ausgemalt hatten. Und jetzt suchten sie die Störenfriede. Sie verständigten sich mit einem Blick und setzten sich in Bewegung. Im wild tanzenden Schein des Lichts liefen sie Richtung Ausgang. Ein zusätzlicher Schreck
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