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Cheng

Cheng

Titel: Cheng
Autoren: Heinrich Steinfest
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aus schneeweißem Polyester, mittendrin Lippen aus der Parfümerie, rot wie ein Goldmann-Krimi.
    »Du kleines Häufchen Dreck.«
    Genau das sagte sie und war auch schon wieder weg, bei ihrem Neuen, dessen Blick verriet, daß ihm unverständlich war, mit was für einer Billigware sich Barbara bisher abgegeben hatte.
    H.P. zupfte an seinem Schnauzer, verzweifelt, weil ihm keine witzige Bemerkung einfiel. Nebenstehende sahen zu Ran, als wollten sie die kurze, aber präzise Angabe Barbaras überprüfen.
    Ran wurde übel. Der viele Whisky war jetzt alles andere als ein guter Unterbau. Gerne hätte er sich an Ort und Stelle übergeben, was aber nach seinem Empfinden die Sache noch schlimmer gemacht hätte. Also bellte er seine Übelkeit zurück und ging eilig (notgedrungen eine Spur zu eilig) ins Haus, das wie alle Häuser reicher Leute vieles hatte, nur keine auffindbaren Toiletten. Weil er sich aber nicht mehr zurückhalten konnte, übergab er sich in dem von der Dame des Hauses liebevoll aufgezogenen Wintergarten; nicht so ein Wintergarten aus dem Versandkatalog, sondern eine prächtige, üppige Dschungelkulisse, wo man unter Umständen auch eine Leiche unterbringen konnte, ohne daß gleich sämtliche Kinder darüber stolperten. Und wo eine Leiche nicht aufgefallen wäre, richtete auch das bißchen Erbrochene keinen großen Schaden an.
    Als er aus dem Wintergarten trat, bleich, aber wenigstens um eine Sorge leichter, lief er Frau Edlinger direkt in die Arme, die man natürlich Frau Professor zu nennen hatte, obwohl sie einen eigenen Doktortitel besaß, der aber im Sturm, den so ein ehemännlicher Professorentitel auslöst, untergegangen war.
    Sie zeigte mit dem Finger auf Ran, genaugenommen auf die Stelle zwischen den Augen, also dort, wo eine professionell abgeschossene Kugel idealerweise in ihr Opfer eintritt. Der Finger lag gerade in der Luft, und bei oberflächlicher Betrachtung hätte man ihn auch für eine Messerklinge halten können.
    »Sie!« sagte die Frau Professor, und es klang, als hätte sie endlich den Schuldigen für alles Schlechte in dieser Welt gefunden.
    »Was bilden Sie sich eigentlich ein?« fuhr sie fort, ohne die Position ihres Fingers zu verändern. »Was ist es denn? Ist es Neid, Rachsucht, Eitelkeit? Sind Sie ein Psychopath? Oder werden Sie dafür bezahlt? Was bringt Sie dazu, ein derart ekelhaftes Gerücht zu verbreiten? Hat mein Mann Sie vielleicht einmal zu hart angefaßt, Ihren debilen Eifer zuwenig gelobt oder Ihnen zu selten über Ihre Gießkanne von einem Schädel gestreichelt? Und dann haben Sie wohl irre in sich hineingekichert und sich Ihren stupiden Racheplan zurechtgelegt.
    Himmel, was bilden Sie sich ein. Sie wären der letzte, ich schwöre Ihnen, der allerletzte. Sie haben nichts, absolut nichts.
    Man braucht Sie nur anzusehen und weiß sofort, daß Sie vollkommen hohl sind, nicht bloß dumm, sondern tatsächlich vollkommen hohl. Es gibt Leute, die bestehen zur Gänze aus Dreck.
    Aber nicht einmal dazu haben Sie es gebracht. Sie stinken nicht einmal; Sie sind so charakterlos, daß Sie nicht einmal mehr Gestank verbreiten. Wahrscheinlich beneiden Sie meinen Mann nicht nur um seinen Erfolg, sondern ganz einfach auch darum, daß er ein Mensch ist, während Sie selbst nur noch aus der eigenen geruchslosen Ausdünstung bestehen. Ein Querulant an sich.
    Wer Sie als Dreck, als Abfall bezeichnet, der überschätzt Sie bei weitem; und wer Sie überschätzt, der glaubt Ihnen vielleicht Ihre perfiden Lügen.
    Hören Sie, Fielding, oder wie Sie heißen, ich lasse mir von keinem Menschen, aber erst recht nicht von einem Kretin wie Ihnen, meine Ehe zerstören.
    Und ich werde nicht mit meinem Mann darüber sprechen, weil ich ihm eine derartige Aufregung ersparen möchte. (Was nur die halbe Wahrheit war.) Sie, Fielding, Sie werden diese Verleumdung zurücknehmen – stellen Sie es als dummen Scherz dar.
    Schlimm genug, daß ja trotzdem etwas hängenbleibt, aber ich sage Ihnen: Nehmen Sie es zurück. Nehmen Sie Ihren Dreck zurück, und füllen Sie sich selbst damit an, vielleicht wird dann doch noch ein, wenn auch mickriges, aber immerhin ein Stück Mensch aus Ihnen.
    Sie haben mich verstanden, denke ich doch. Sollten Sie aber nicht begreifen, sollten Sie Ihren Größenwahn nicht ablegen wollen, wäre ich gezwungen, jemanden zu engagieren, der darauf spezialisiert ist, Zauderern unter die Arme zu greifen.«
    Sie zog den Finger und die ganze Hand und den ganzen Arm und schließlich den ganzen
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