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Chefsache

Chefsache

Titel: Chefsache
Autoren: Sandra Gernt
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Zeitmangel nicht rasiert hatte.
Hätte er von dem hohen Besuch der Hauptdienststelle geahnt … Damit machte man
garantiert keinen guten Eindruck!
    Obwohl
– besser unrasiert als Pauls Karopullis. Benjamin unterdrückte ein amüsiertes
Glucksen. Sein dienstältester Kollege trug selbst bei den derzeit milden
Vorfrühlingstemperaturen stets Cordhosen und dicke Karopullis. Er behauptete,
dass er seit seinem zweiundfünfzigsten Wiegenfest zum Warmduscher mutiert war,
ausschließlich die Hormone daran schuld seien und er ein Recht habe, ständig zu
frieren: „Früher hab ich die Fenster aufgerissen und meine Frau hat gejammert.
Heute brauch ich Schal und Wollmantel, während sie am liebsten im Kühlschrank
übernachten würde. Die Natur muss sich etwas dabei gemacht haben, dass sie
Männlein und Weiblein stets gegensätzlich belässt“, sagte er häufig.
    Und was hat sich die Natur dabei
gedacht, dass ich auf Männerärsche abfahre ?, dachte Benjamin. Zudem auf all jene Ärsche, die ich nicht kriegen kann oder besser die
Finger von lassen sollte!
    Unwillig
schüttelte er den Kopf. Er wollte jetzt nicht an Ingo denken. Er war
fünfhundert Kilometer weit weggezogen, hatte seine Eltern zurückgelassen, zu
denen er ein bombiges Verhältnis hatte, seine Zwillingsschwester, seine beiden
kleinen Neffen. Das alles nur, um nicht ständig an den größten Fehler seines
Lebens erinnert zu werden. Dazu hatte er sich die früher üppig wuchernde blonde
Mähne kurz geschnitten, das jahrelang gehegte Spitzbärtchen geopfert, die
Initialen I.T., die er als Schmuckbuchstaben auf den rechten Bizeps tätowiert
hatte, mit einem Drachenbild überstechen lassen …
    Die
Tür des Lagerraumes flog auf. Benjamin fuhr erschrocken zusammen, doch es war
bloß Timo. Er musterte ihn seltsam, für einen langen Moment schien es, als
wollte er etwas sagen. Aber dann klopfte er lediglich auf seine Armbanduhr und
murmelte, den Blick zum Boden gewandt: „Mach Feierabend, Benny, es ist spät.
Alle anderen sind schon weg.“
    „Wie
Sie wünschen, Herr Heinke“, erwiderte Benjamin bissig, verstaute den Karton,
den er gerade in den Händen hielt, im nächstbesten Regal und schob sich an
seinem Chef vorbei. Der wirkte seltsam niedergeschlagen, wie er da still in der
Tür stand – schämte er sich für die miese Tour von eben?
    Bestimmt alles Getue, der beherrscht die
kumpelhafte ‚wir sind alle gleich und Siezen ist Blödsinn-Nummer’ ja perfekt.
    Benjamin
hatte sich geschworen, sich von niemandem mehr verarschen zu lassen. Die Zeit
mit Ingo hatte ihn gelehrt, dass es besser war, der Menschheit zynisch und
misstrauisch zu begegnen, auch wenn es nicht seiner Natur entsprach. Timo
konnte ihm gestohlen bleiben!
    Das
musste jetzt nur noch sein dummes Herz begreifen, statt an den nächsten Typen
verloren zu gehen, der hetero und damit unerreichbar war! Wenigstens bestand
keine Gefahr, dass Timo sich an ihn ranmachen würde mit der Behauptung, Bi und
unsterblich in ihn verliebt zu sein …
     
    ~*~
     
    Benjamin
schwankte leicht, als er eine Bordsteinkante übersah und mit einem Fuß
abrutschte. Er hätte besser zwei Tüten für seinen Einkauf genommen, statt die
eine derart voll zu packen, dass er sie mit beiden Armen tragen musste, damit
sie nicht riss. Es behinderte seine Sicht, da er kaum noch darüber blicken
konnte. Zum Glück war es nicht mehr weit bis zu seiner Rostlaube, die er auf
dem Firmenparkplatz hatte stehen lassen, da sich der Supermarkt direkt
gegenüber befand. Er wollte unbedingt im Hellen nach Hause kommen, um vor dem
Essen noch eine Runde in dem kleinen Park nah bei seiner Wohnung joggen gehen zu
können, darum beeilte Benjamin sich nach Kräften. Da vorne war auch schon das
spanischrote Dach des uralten Fords.
    In
dem Moment quietschte es, jemand brüllte: „ACHTUNG!“
    Verdattert
fand Benjamin sich am Boden wieder, neben ihm heulte ein Motor auf. Als er
hochschaute, sah er ein Moped, das in Höchstgeschwindigkeit davonrauschte.
    Der hat mich angefahren !, wurde
ihm mit Verspätung bewusst. Und dann noch
Fahrerflucht begehen, diese feige Sau! Leider hatte er das Nummernschild
nicht erkennen können.
    „Oh
Gott, Benny, bist du okay?“ Timos Gesicht war ihm plötzlich viel zu nah.
Besorgte blaue Augen musterten ihn mit einer Intensität, die Benjamin
schwindelig werden ließ. Oder kam das vom Unfall?
    „Alles
klar, glaub ich“, murmelte er mit Verspätung und setzte sich hin. Seine Hände
waren aufgeschrammt und brannten, genauso
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