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Chefsache

Chefsache

Titel: Chefsache
Autoren: Sandra Gernt
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wie die Knie.
    „Der
Penner hat mich an der Hüfte erwischt, das gibt bestimmt einen
Mega-Bluterguss“, fügte er hinzu, nachdem er sich kurz vergewissert hatte, dass
er tatsächlich mit ein paar Schrammen, einer zerrissenen Jeans und einem
tüchtigen Schreck davongekommen war.
    „Hattest
du ihn nicht gehört? Der wollte bestimmt den Parkplatz als Abkürzung nehmen“,
sagte Timo. „Der kam mit einem Affenzahn angebrettert .
Ich wollte dich noch warnen, als du nicht ausgewichen bist, aber da war es
schon zu spät.“
    Benjamin
schüttelte den Kopf. „Ich war in Gedanken bereits zuhause beim Abendessen.“
Traurig betrachtete er die Überreste seiner Einkäufe – Milch, Eier, Brot, Obst,
ein großer Salatkopf und noch ein paar Kleinigkeiten. Was nicht beim Sturz
kaputt gegangen war, hatte trotzdem nicht überlebt, da dieses Arschloch mit
seinem Moped drüber gefahren war.
    „Besser
das Essen als dein Bein. Oder der Kopf“, murmelte Timo, der seinem Blick
gefolgt war.
    „Kannst
du aufstehen? Soll ich einen Krankenwagen rufen?“
    „Nein,
ich bin okay, ehrlich. Ich hab nichts, was sich nicht mit einem Pflaster und
einem Kühlpack beheben lässt.“ Mit zusammengebissenen Zähnen raffte Benjamin
sich auf. Seit fünfzehn Jahren hatte er sich nicht mehr die Knie angeschlagen,
das letzte Mal war an seinem zwölften Geburtstag gewesen, als er seine neuen
Inliner eingeweiht hatte. Er hatte tatsächlich vergessen, wie schmerzhaft
geprellte und aufgeschürfte Kniescheiben sein konnten. Zudem fühlte er sich
merkwürdig desorientiert, was sicher vom Schreck kam.
    „Wo
wohnst du?“, fragte Timo mit alarmiertem Tonfall und griff nach seinem Arm.
    „Töpferstraße
17. Ich kann allein fahren, es ist alles prima. Einkaufen müsste ich auch noch
mal, aber das mach ich wohl besser morgen.“
    Mit
einer ungeduldigen Geste schnitt Timo ihm das Wort ab: „Nichts da! Setz dich
besser wieder, bevor du mir umkippst.“
    Tatsächlich
wurde Benjamin gerade flau im Magen, darum gehorchte er und sah zu, wie sein
Chef die zerstörten Lebensmittel einsammelte und in einem Müllcontainer
entsorgte. Es dauerte ungefähr eine halbe Minute, bis der Druck im Kopf und das
Schweregefühl in Armen und Beinen nachließ. Timo betrachtete ihn einen Moment
von oben herab, als er zurückkehrte, dann packte er ihn plötzlich am Arm und
zog ihn hoch.
    „Ich
bring dich schnell nach Hause, ist quasi kein Umweg für mich. So kann ich dich
nicht fahren lassen!“
    Überrumpelt
ließ Benjamin sich in den Beifahrersitz schieben, zu verwirrt, um zu
protestieren. Timo schien es sehr ernst zu sein und auf Diskussionen hatte er
eigentlich auch gar keine Lust, darum schnallte er sich brav an und versuchte,
mit seinen blutigen Händen nichts zu berühren.
    Zunächst
schwiegen sie und genossen den Feierabendverkehr mit den üblichen Großstaus vor
sämtlichen Ampeln. Irgendwann sagte Timo plötzlich: „Wir halten erst mal bei
mir, ist näher dran. Ich kann dir mit ein bisschen Brot und Milch aushelfen,
dann musst du heute nicht mehr einkaufen. Du wohnst allein, oder?“
    „Ja.
Hör mal, das ist supernett von dir, aber du brauchst nicht …“, begann Benjamin.
    „Ich
weiß. Ich will es trotzdem.“ Timo schaute ihn mit ernster Entschlossenheit an,
die erahnen ließ, wie er sich so jung eine Führungsposition erstritten hatte. Abgesehen von Schmeicheln und Speichel lecken

    „Willst
du den Mopedtypen anzeigen?“, fragte Timo nach weiteren stillen Minuten.
    „Sinnlos.
Ich hab das Kennzeichen nicht erkannt, du vermutlich auch nicht und die
Fahrerflucht ist bedeutsamer als das bisschen Sachschaden. Verletzt bin ich
auch nicht wirklich. Den erwischt keiner, ich spare mir den Aufwand.“
    Sein
Chef brummte, ob missbilligend oder bestätigend war nicht herauszuhören, und
fuhr schließlich in eine Tiefgarage hinein.
    Timo
besaß eine schöne Wohnung in luftiger Höhe. Von außen hatte das Haus wie eine
typische seelenlose Bausünde der Siebziger gewirkt. Bis zum vierten Stock hatte
es sich ähnlich kühl und abweisend präsentiert mit dem steril-weißen
Treppenhaus. Innen offenbarte sich hingegen eine großzügige Wohnlandschaft mit
Blick auf jenen Park, in dem Benjamin gern joggte. Die Raumaufteilung wirkte
phantasievoll und verspielt, es gab eine Wandnische im Wohnzimmer, die Timo
sich als gemütliche Leseecke mit Polstern und Bücherregalen eingerichtet hatte.
In jedem Raum außer dem Bad gab es Wendeltreppen, die zu zusätzlichen Wohn- und
Stauflächen
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