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Chefsache

Chefsache

Titel: Chefsache
Autoren: Sandra Gernt
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führten. Alles war hell und offen in dezenten Farben und mit hohem
Holzanteil zeitlos möbliert. Benjamin hätte seinen Chef eher als Vertreter der
Chrom- und Glasfronten eingeschätzt, der das Moderne der Gemütlichkeit vorzog
und war froh, sich getäuscht zu haben. Trotz der Größe – Benjamins Wohnung
würde leicht im Wohnzimmer Platz finden – war es hier behaglich, ein wenig
verkramt, ohne chaotisch zu sein, und warm. So, wie er es mochte.
    „Okay,
dann wollen wir dich mal verarzten“, sagte Timo, nachdem er ihn kurz
herumgeführt hatte, und wedelte mit einem Verbandspäckchen.
    „Nicht
nötig. Schau, es hat schon aufgehört zu bluten“, erwiderte Benjamin rasch. Es
war ihm unangenehm, dass er wegen einer solchen Bagatelle wie ein Kind versorgt
wurde. „Es tut nicht mal mehr weh, mir reicht ein Waschbecken.“
    „Kein
Problem.“ Lächelnd wies Timo auf die Badezimmertür.
    Während
Benjamin sich in den cremefarben gefliesten Raum wusch, was ziemlich jämmerlich
brannte und schmerzte, versuchte er, seinen vom erlittenen Schock weiterhin
leicht betäubten Verstand zu ordnen. Was machte er eigentlich hier? Sicher, es
war nett von seinem Chef, sich um ihn zu kümmern, aber es hätte gereicht, ihn
bei sich zuhause abzusetzen. Und warum diese große Sorge und Freundlichkeit,
nachdem Timo ihn vorhin wie einen ungern gesehenen Gast statt einen Mitarbeiter
behandelt hatte?
    Als
es klopfte, fuhr er zusammen. Einen Moment später stand Timo vor ihm und
drückte ihm eine schwarze Trainingshose in die Hände.
    „Zieh
das da an, du brauchst nicht in einer kaputten Hose herumzurennen. Ich bin
leider etwas breiter als du, sonst könnte ich dir eine Jeans von mir geben.“
Grinsend klopfte er sich auf die Hüften, die keineswegs breit oder speckig
waren sondern bezeugten, dass Timo gerne Sport trieb.
    Einmal
mehr überrumpelt blieb Benjamin nichts anderes übrig, als zustimmend zu nicken.
    „Oh,
hier sind Pflaster für die Knie, das kriegst du hin, oder?“
    „Die
Zeit, in der ich jemanden brauchte, der ‚Heile, heile Gänschen’ macht, ist
lange vorbei.“ Benjamin lächelte, um nicht allzu spöttisch zu wirken.
    „Und
deine Hände?“ Timo griff nach seinen Armen und musterte die aufgeschürften
Handflächen. Die linke sah ziemlich übel aus und wies tiefere Schrammen auf. Es
tat ordentlich weh, was er nicht zugeben wollte, um nicht als Heulsuse
dazustehen. Er hatte viel Schlimmeres ertragen müssen, viel Schlimmeres. Woher kam der unsinnige Impuls, sich trösten
lassen zu wollen?
    „Für
das da brauchst du einen Verband, sonst kannst du ja gar nichts mehr anfassen
und entzünden könnte es sich auch.“ Ohne weitere Umstände packte Timo zu und
hatte ihm in weniger als einer Minute einen leichten Verband angelegt.
    „Wow!“,
murmelte Benjamin überrascht.
    „Ich
war ein paar Jahre bei der Freiwilligen Feuerwehr und hab da einen
Sanitäterkurs absolviert. War dann nicht mein Ding, um aus einem von beiden
einen Beruf zu machen. Ich hab mittlerweile viel verlernt, aber für Kleinkram
reicht es locker.“ Timo lächelte, dass es Benjamin merkwürdig warm wurde, und
klopfte ihm auf die Schulter. „Ich lass dich mal in Ruhe, damit du dich weiter
verarzten kannst.“
    Benjamin
betrachtete verdutzt die Tür, die sich hinter seinem Chef geschlossen hatte.
Timo hatte lässig gesprochen, cool gewirkt, doch als er ihn berührt hatte,
konnte Benjamin spüren, wie angespannt der Mann war.
    Ich sollte nach Hause gehen, dachte er, während er sich aus der
verdreckten und zerrissenen Jeans schälte. Mit verpflasterten Knien, in der
fremden Trainingshose und mit unbehaglichem Gefühl im Bauch verließ er
schließlich das Badezimmer.
    „Magst
du Chili?“ Timo stand in der Küche und rührte in einer Schüssel.
    „Ja,
aber du brauchst nicht …“
    „Ich
habe versprochen, dir etwas zu Essen zu geben, oder? Mit Brot sieht’s bei mir
knapp aus, also koch ich halt für uns beide statt nur für mich allein. Macht
mehr Spaß als einsam daheim zu sitzen, meinst du nicht?“
    Das
Grinsen war entwaffnend. Mit einem Seufzen ergab sich Benjamin, es war sinnlos,
sich noch länger wie ein kleines Mädchen zu zieren.
    „Kann
ich helfen?“, fragte er und übernahm es, die Tomaten zu schneiden. Verrückt –
stand er gerade wirklich mit seinem heimlichen Schwarm in der Küche, um mit ihm
ein gemeinsames Abendessen zusammenzubrutzeln? Er musste auf Distanz gehen,
bevor er verloren war!
    „Warum
hattest du mich bei den Chefs so
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