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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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Werk seiner Zeit, Darwins Buch über den
Ursprung der Arten
, gelesen hat, ist nicht gewiss. Zumindest besaß er es, hat sich dazu aber nicht explizit geäußert, was insofern erstaunlich ist, als unmittelbar nach Erscheinen des Buches zahlreiche Karikaturen publiziert wurden, die den Menschen als Abkömmling des Affen zeigen. Das Anstößige an Darwins Theorie war nicht der Evolutionsgedanke, sondern die These, dass die Arten das Ergebnis eines gnadenlosen Überlebenskampfes nach dem Prinzip des
survival of the fittest
seien. Der Evolutionsgedanke selber war lange vorher und das ganze Jahrhundert hindurch in fast allen Köpfen präsent. Schon Darwins Großvater Erasmus hatte ihn in langen Lehrgedichten verkündet. Vor allem die Paläontologie, die durch den englischen Pionier William Smith maßgeblich mitbegründet wurde, hatte dank der zahlreichen Fossilienfunde in englischem Boden ein breites Interesse geweckt. In einem Brief vom 28. Mai 1863 an seinen Freund de Çerjat äußert Dickens die Ansicht, dass die von der Wissenschaft erforschte geologische Schichtung der Erde genauso als Offenbarung Gottes anzusehen sei wie «Bücher großen Alters und von (bestenfalls) zweifelhafter Urheberschaft».
    Das zentrale Ereignis in der Mitte des Jahrhunderts war die Londoner Weltausstellung von 1851. Während Königin Viktoria den Eröffnungstag der von ihrem Ehemann Prinz Albert ins Leben gerufenen Ausstellung als «den größten Tag in unserer Geschichte» bezeichnete, blieb Dickens diesem nationalen Triumph gegenüber merkwürdig kühl. Insgesamt fällt auf, dass im Vergleich mit Deutschland, wo im 19. Jahrhundert das naturwissenschaftliche und technische Schrifttum gewaltig anschwoll, die englische Produktion erheblich geringer ausfiel. Hier hielt das gebildete Bürgertum weit stärker als im vermeintlichen Land der Dichter und Denker am schöngeistigen Bildungsideal fest. Die Weltausstellung, die zwischen dem 1. Mai und dem 15. Oktober von über sechs Millionen Menschen besucht wurde, symbolisierte nicht nur Englands Spitzenstellung auf technologischem Gebiet, sie versöhnte das englische Volk auch mit dem deutschen Prinzgemahl, demes bis dahin reserviert gegenübergestanden hatte. Von jetzt an bis zu Alberts Tod im Jahr 1861 galt das königliche Paar als die Musterfamilie der Nation, weshalb sich in dieser Zeit die Vorstellung eines viktorianischen Zeitalters auszubilden begann.
    Als die Königin nach Alberts Tod in tiefe Trauer versank und sich jahrelang kaum noch öffentlich blicken ließ, kühlte sich die Liebe des Volkes für die Monarchin merklich ab. Erst der Schotte John Brown, der als Leibdiener eingestellt wurde, um die Königin bei den ärztlich verordneten Ausritten zu begleiten, holte die trauernde Witwe wieder ins gesellige Leben zurück. Das aber führte nun erst recht zu Unmut beim Volke, da ihr Verhältnis zu dem Diener so eng wurde, dass man es als unschicklich empfand und von der Königin als Mrs. Brown sprach. Erst in späteren Jahren wurde Viktoria, jetzt wohl mehr aus Patriotismus, als positive Repräsentantin der Nation empfunden und verehrt.
    Eine zwiespältige Rolle spielte in der ganzen Zeit die Kirche. England hatte – und hat noch immer – eine Staatskirche, deren Bischöfe auf Vorschlag der Regierung von der Krone eingesetzt wurden, während die Pfarrstellen, zumindest die auf dem Lande und in den kleineren Städten, von den Grundherren vergeben wurden. Das bedeutete eine enge Allianz zwischen Kirche und Aristokratie und damit eine ablehnende Haltung gegenüber demokratischen Reformen. Andererseits hatte sich bereits ab 1729 die aus der puritanischen Tradition gespeiste Bewegung des Methodismus daran gemacht, das kirchliche Leben von unten her zu erneuern. Doch der Widerstand der kirchlichen Hierarchie war zu groß, so dass die Methodisten die
Church of England
verließen und 1784 eine eigene Kirche gründeten. Ein Teil der evangelikalen Bewegung blieb jedoch in der Kirche und erhielt im 19. Jahrhundert vor allem in den Industriestädten starken Zulauf. Dadurch kam es innerhalb der Kirche zu einer Differenzierung in
High Church
und
Low Church
. Die Hochkirche stand an der Seite der Aristokratie, während sich die evangelikale
Low Church
um die Interessen der Arbeiter kümmerte. Dazwischen formierte sich eine wachsende Mittelposition als
Broad Church
, die ein weitherziges religiöses Bekenntnis und eine pragmatische Haltung gegenüber sozialen Fragen vertrat. Auf religiösem Gebiet
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