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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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der bis zur Reformation fast immer ein kirchlicher Würdenträger war, griff dabei auf das am römischen Recht orientierte Kirchenrecht zurück. So entstand neben den königlichen Gerichtshöfen, die Recht nach dem Common Law sprachen, ein zweites Rechtssystem, das dem Kanzleigerichtshof, dem
Court of Chancery
, unterstand und nach dem Billigkeitsprinzip, auf Englisch
equity
, Recht sprach. Bis weit über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus existierten diese beiden Systeme nebeneinander und machten es dem Bürger oft unmöglich, sein Recht zu bekommen. Manche Fälle ließen sich, wenn überhaupt, nur auf der Basis von Fiktionen lösen. So war es üblich, dass man zur Klärung von Rechtstiteln an Grundbesitz, die weit in die Zeit des Feudalismus zurückreichten, davon ausging, dass ein fiktiver John Do mit einem ebenfalls fiktiven Richard Roe ein Rechtsgeschäft über den strittigen Gegenstand getätigt hatte. Nur wenn beide Parteien diese Fiktion akzeptierten, ließ sich der Streitlösen. Doch bevor es zum Prozess kam, musste erst einmal festgestellt werden, welches Rechtssystem überhaupt zuständig war. So wurde der Rechtsuchende in vielen Fällen vom Common Law zum Equity und vom Equity wieder zurück zum Common Law verwiesen, was nicht nur zeitraubend, sondern außerordentlich kostspielig war. Zu einer Vereinigung der beiden Rechtssysteme kam es erst 1873 mit dem
Judicature Act
; doch selbst unter dem gemeinsamen institutionellen Dach bestanden Common Law und Equity als getrennte Rechtscorpora mit unterschiedlichen Normen und Verfahrensweisen fort. Dickens hat der desolaten Rechtsprechung seiner Zeit mit B
leak House
einen ganzen Roman gewidmet.
    Der soziale Fortschritt, der in der Wirtschaft durch die industrielle Entwicklung und in der Politik durch die stetige Ausweitung des Wahlrechts vorangetrieben wurde, hatte seine kulturelle Entsprechung in der stetig fortschreitenden Alphabetisierung der Bevölkerung. Das Verdienst dafür gebührt vor allem den Sonntagsschulen, die sich ab 1780 über das ganze Land ausgebreitet hatten. Sie sorgten dafür, dass auch die Unterschicht Zugang zu Gedrucktem hatte. Anfangs beschränkte sich deren Lektüre auf die Bibel und auf religiöse Traktate. Romane waren für sie unerschwinglich. Sir Walter Scott, der in den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts der prominenteste Autor war und als erster fünfstellige Auflagen erzielte, hatte mit dem Preis von 31 Shilling und 6 Pence für einen «Dreidecker» – dreibändige Ausgaben waren die Regel – den Standard gesetzt. Das war mehr als der Wochenlohn eines gut verdienenden Handwerkers. Als Henry Peter Brougham, der später Lordkanzler wurde, 1827 zusammen mit anderen die
Society for the Diffusion of Useful Knowledge
(‹Gesellschaft für die Verbreitung von nützlichem Wissen›) ins Leben rief, sorgten deren Kampagnen dafür, dass Bücher nach der teuren Erstauflage als
popular edition
für 6 Shilling und als
cheap edition
für 2 Shilling nachgedruckt wurden. Breiten Zugang zur Belletristik hatten die Geringverdiener aber nur durch die
circulating libraries.
Diese kommerziellen Leihbüchereien waren im 18. Jahrhundert entstanden und gewannen im 19. mit der Zunahme des lesefähigen Publikums immer mehr an Bedeutung. Sie trugen nicht nur zur Verbreitung, sondern auch zu einer gewissen Zensierung der Literatur bei. Da die führenden Unternehmen oft über tausend Exemplare eines Romans auf einen Schlag abnahmenund da diese Bücher in der Regel von der ganzen Familie gelesen, oft sogar in ihrem Kreise vorgelesen wurden, konnte es sich kein Autor leisten, etwas zu schreiben, woran vor allem Frauen Anstoß genommen hätten.
    Während die deutsche Kultur in dieser Zeit ihre Spitzenleistungen in der Musik hervorbrachte, wurde die englische von der Literatur so sehr dominiert, dass die übrigen Künste daneben deutlich abfielen. Obwohl London das ganze Jahrhundert hindurch ein florierendes Konzertleben hatte, gab es keine englischen Komponisten, die an ihre deutschen, italienischen, französischen und russischen Zeitgenossen heranreichten. In der bildenden Kunst bot England das gleiche epigonale Kostümfest der Stile wie der größere Teil des Kontinents. Die Architektur bewegte sich zwischen Neogotik und Neoklassik, die Malerei zwischen biedermeierlichen Interieurs und großformatigen Historienbildern, und die in England ohnehin schwach entwickelte Bildhauerei erschöpfte sich im Herstellen monumentaler Denkmäler. Auch das
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