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Change

Change

Titel: Change
Autoren: Luisa Raphael
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Platz im hinterm Teil des Klassenraums angekommen, ging es schon los. Andauernd riefen sie meinen Namen, und wenn ich darauf reagierte, lachten sie mich aus. Doch bald war ihnen das allein wohl zu langweilig, denn es sie intensivierten ihre Anstrengungen. Dämliche Bemerkungen waren dabei das Harmloseste. Doch im Unterricht mit Papierkügelchen beschossen und ständig ausgelacht zu werden, zerrte auch an meinen Nerven. Am Ende der ersten Stunde war ich nahe daran, dem Papierkugelschnipper meine Meinung zu sagen und ihm nebenbei eine rein zuhauen, doch ich konnte mich beherrschen. Wer weiß, was dieser dann mit mir machen würde.
    So verschwand ich während der Pause wieder in meiner Ecke und hoffte auf ein Ende dieses beschissenen Tages. Nachdem Klingeln, dass die Pause beendete, marschierte ich zu meinem nächsten Unterrichtsraum. Doch auf dem Flur begegnete ich Evan, der wohl gut aufgelegt war, denn er rief mir sogleich zu: „Hey Freak! Schon mal einen Liter Blut durch die Nase gespendet?“
    Darauf setzte mal wieder Gelächter ein, aber auch solche Kommentare wie: „Sicherlich noch nicht. Das musst du dem zeigen.“
    Das dachte Evan bestimmt auch als er auf mich zu trat und mich gegen die Wand schuppte. Ich kollidierte mit ihr, und die Schmerzen von gestern Nachmittag meldeten sich mit neu gewonnener Stärke zurück. Überwältigt von den erneuten Qualen schnappte ich heftig nach Luft und brachte meine ganze Kraft und Geschicklichkeit dafür auf, nicht auf dem Boden zu landen. Diese Situation schien erneut zu eskalieren und so ergriff ich die Flucht, sobald mir das möglich war.
    Evan schrie mir noch hinterher: „Na warte, du Schwuchtel! Das einzig Positive in deinem Leben war doch der AIDS-Test! Hoffe darauf, dass du bald abkratzt!“
    Der letzte Kommentar trieb mir salzige Tränen in die Augen, die ich ruckartig fortwischte.
    Ich hatte keine Ahnung, wie ich den restlichen Tag überlebte, doch irgendwie schaffte ich es. Doch die Schikanen setzten sich fort, jeder Tag wurde zu meiner persönlichen Hölle, der zu entkommen unmöglich war. Als Begleiterscheinungen meiner neuen Beliebtheit landeten meine relativ guten Schulnoten im Keller, und um meine Gesundheit stand es schlechter als je zuvor.
    Jeden Tag dasselbe: Beleidigungen, Drohungen, Rempeleien in den Gängen.
    Der ganz alltägliche Wahnsinn bekam in meinem Falle eine ganz besondere Bedeutung. Ganz schlimm wurde es, wenn meine verhassten Feinde um Evan auftauchten. Er, Toby - das war der Bullige, David und Logan gehörten zu denen, die mir schon öfter Gewalt angetan hatten. Bei ihnen blieb es selten nur bei oberflächlichen Verletzungen. Zum Glück war ich bis jetzt mit nur einem gebrochenem Arm und drei angebrochenen Rippen davongekommen.
    Trotzdem ertrug ich die Schule weiter, auch wenn ich aufgrund dieser Qual, diesem Schmerz nicht mehr leben wollte. Ich hatte schon oft über den Selbstmord nachgedacht.
    Das ich es noch nicht fertig gebracht hatte, mich wirklich umzubringen, lag zum Teil an meiner Band. Zusammen mit Ash, Mace und Jason lebte ich nur für diese Band. Ich wünschte mir nichts anderes so sehr, wie den Durchbruch zu schaffen und dann endlich weg von dieser Höllenschule, weg aus dieser Stadt zu kommen, weg von Leuten wie Evan, Toby, David und Logan.
    Weg aus der Hölle.
    Doch leider erfüllte sich mein Wunsch nicht. Doch meine Hoffnung war noch nicht erloschen. Denn ich liebte meine Musik und hoffte, sie würde mir helfen, sie würde mich eines Tages retten.
    Ich kämpfte mich durch jeden Tag. Wie ein Soldat war ich jeden Tag auf dem Schlachtfeld, wo ich als Ein-Mann-Armee gegen ein riesiges, schwarzes und übernatürlich starkes Heer kämpfte. Ich hatte schon verloren und konnte auch auf nichts anderes hoffen als auf eine Niederlage.
    Mein Körper blieb der einzige Zeuge jeder dieser Taten und sah dementsprechend auch aus. Meine Lippe war stark geschwollen von den Fausthieben, die ich einstecken musste. Mein Piercing hatte ich das letzte Mal vor drei Wochen getragen, da ich Angst hatte, sie würden es mir herausreißen.
    Blaue Augen hatte ich auch öfters gehabt, auch wenn die Schatten unter meinen Augen jetzt aus durchheulten Nächten stammten. Ich war nun einmal eine Memme.
    Die Schimpfwörter und Beleidigungen, die sie mir an den Kopf warfen, taten seltsamerweise immer noch weh, obwohl ich mich eigentlich daran gewöhnt haben müsste. Doch vermutlich kann man sich an so etwas nicht gewöhnen. Oder ich war einfach zu zartfühlend
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