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Champion Jack Barron

Champion Jack Barron

Titel: Champion Jack Barron
Autoren: Norman Spinrad
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völlig sinnentleerte Aneinanderreihungen von Worten zu schaffen.
    Als die Texte von John Lennon in einer deutschen Ausgabe erschienen, wurde der Begriff „übersetzt“ durch „gedeutscht“ ersetzt, ein Begriff, den man auch auf weite Teile von Bug Jack Barron anwenden kann. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich schließlich dieses, auf den ersten Blick ärgerliche erzählerische Mittel Spinrads als durchaus geeignet, tiefenpsychologische Aspekte seiner Protagonisten mit einer kaum zu übertreffenden sprachlichen Dichte zu erhellen.
    Ein weiteres stilistisches Mittel, das von William Burroughs begründet und von der New Wave begeistert übernommen wurde, ist der sogenannte Cut-up-Text, ein literarisches Verfahren, bei dem einzelne Sätze, Satzfetzen oder Worte mit anderen Teilen des Romans „montiert“ werden wie bei einer Fotomontage. So interessant diese Technik auch ist, bringt auch sie wiederum große Probleme für den Übersetzer mit sich, denn ein einmal gewählter Wortlaut muß dann auch im weiteren Verlauf des Buches strikt eingehalten werden. Außerdem lassen sich bei dieser Technik, bedingt durch die Tatsache, daß im Amerikanischen oft eine große Diskrepanz zwischen geschriebenem und gesprochenem Wort besteht und es unglaublich viele Worte mit Doppeldeutigkeiten gibt, bestimmte sprachliche Schwebezustände herstellen, die im Deutschen nicht nachvollziehbar sind. Man muß sich für eine einzige Möglichkeit entscheiden, wobei die wahrscheinlichste oder einleuchtendste natürlich immer Vorrang hat.
    Schließlich bleibt noch das Problem des Slang zu erwähnen, der meist, wie oben bereits geschildert, auf dem Unterschied zwischen Schreibweise und Aussprache beruht, was im Deutschen auch nur unzulänglich nachvollziehbar ist. Zudem wimmelt es im Bug Jack Barron von „Jiddischem“ Slang, also verslangten Worten aus dem Jiddischen und Amerikanischen, wie etwa „Schmuck“, „Schmendrick“, „Schmeck“ usw. Alle diese Worte wurden, sofern es sich um spezielle Begriffe handelt, durch Fußnoten erläutert, soweit ihr Sinn im Satzzusammenhang nicht für sich selbst spricht.
    Man führt bei einem Buch wie Bug Jack Barron als Übersetzer ständig eine gefährliche Gratwanderung zwischen den beiden Extremen aus, den Leser zu überfordern oder den Eindruck zu erwecken, ihn für dumm verkaufen zu wollen. Beides lag selbstverständlich nicht in meiner Absicht, als ich von Hans Joachim Alpers den Auftrag bekam, aufgrund meines allgemeinen Interesses an der New Wave sowie gerade bitter erkämpfter Erfahrungen beim Übersetzen von Texten der New Wave (gemeint sind Sladeks The Reproductive System und vor allem sein neuester, ungemein komplexer Roman Roderick ) Bug Jack Barron zu übersetzen. Ich bitte jedoch zu berücksichtigen, daß ein solches Buch natürlich einen möglichst breiten Leserkreis ansprechen soll, und … was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall. Mit anderen Worten, was dem einen umgangssprachlich längst in Fleisch und Blut übergegangen ist, an dem tut sich manch anderer Zeitgenosse vielleicht noch schwer. Mögliches Beispiel hierfür könnte das reichlich verwendete Drogenvokabular sein, das meist erläutert wurde, obwohl es inzwischen fester Bestandteil auch der deutschen Sprache geworden ist.
    Ein Hauptvorwurf, den sich Bug Jack Barron immer wieder gefallen lassen mußte, ist seine außerordentliche Derbheit und Obszönität der Sprache, die selbstverständlich bedingungslos mit in die deutsche Übersetzung einfloß (keine große Schwierigkeit, da sich auf diesem Sektor das Vokabular international seltsam gleicht). Heute, in einem durch Punk und Liberalisierung der Ausdrucksform weitgehend offeneren sprachlichen Umfeld, muten Spinrads Schimpfworte manchmal fast grotesk harmlos an, und vieles, an dem sich in den späten sechziger Jahren die Geister schieden, wird heute kaum mehr jemanden „vom Hocker reißen“. Und was den mehr als respektlosen Umgang des Autors mit Politikern angeht – was dazu führte, daß er sogar im britischen Unterhaus heftig attackiert und u.a. als „Degenerierter“ bezeichnet wurde –: Über welches Schimpfwortvokabular auch Politiker verfügen, das hat nur wenige Jahre nach Erscheinen des Buches Richard Nixon mit der Watergate-Affäre drastisch bewiesen.
    Gerade Vorfalle wie diese haben Bug Jack Barron vieles von seiner damaligen Brisanz genommen, nichtsdestotrotz ist es ein Meilenstein in der Entwicklung der Science Fiction. Doch es soll nicht
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