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Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)

Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Klaus Pollmann
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ausgefragt. Seiner Mutter war das gar nicht recht gewesen, deshalb hatte sein Vater ihm nicht viel erzählt. Also musste Lucius andere Informationsquellen erschließen, doch das war ein Leichtes. Immerhin war Arausio eine Veteranenkolonie, und ehemalige Legionäre erzählten für ihr Leben gern von der guten alten Zeit bei den Adlern. Lucius hatte viele aufregende Geschichten gehört. Außerdem hatte er Caesars Kommentare über den gallischen Krieg und den Bürgerkrieg gelesen, Sallusts Geschichte über den Krieg gegen Jugurtha, Polybios’ Schriften zum Krieg gegen Hannibal. Mit seinem Onkel, Gnaeus Pompeius, dem jüngeren Bruder seiner Mutter, hatte er stundenlang geographische Bücher gewälzt und Gnaeus hatte ihm anvertraut, dass er beabsichtigte, ein großes geographisches und historisches Werk zu schreiben. Daher trug er seit Jahren alle möglichen Schriften alter Autoren zusammen. Neben denen bekannter römischer Autoren, wie Varro und dem älteren Cato, hatte er auch Texte einiger längst vergessener Griechen ausgegraben. Wer hatte je von Ephoros gehört? Sein Onkel stand mit Nepos, Livius und einem jungen Griechen namens Strabo in regem Schriftverkehr. Onkel Gnaeus hatte ein Vermögen ausgegeben, um alle vierzig Bände von Diodoros Siculus zu erwerben, die dieser im Laufe von dreißig Jahren herausgebracht hatte. Gemeinsam hatten sie in diesen Texten gestöbert. Das alles hatte Lucius’ Fernweh nur noch mehr gefördert. Er hatte mit seinem Vater und dem Onkel in den Osten reisen wollen, aber immer hieß es: „Du bist noch zu jung!“, oder: „Das ist keine Vergnügungsreise.“
    So schnell hatte Lucius aber nicht aufgeben wollen. In seinem letzten Brief hatte er Onkel Gnaeus gefragt, ob er ihn auf seiner nächsten Forschungsreise begleiten dürfte, als Sekretär oder so, aber Onkel Gnaeus hatte bedauernd abgelehnt, da er die nächste Zeit mit Schreiben und nicht mit Reisen verbringen würde. Lucius solle ruhig in Arausio bleiben und weiter lernen. In Arausio bleiben! Was erwartete ihn denn in Arausio? Er würde zuerst zum Quästor gewählt werden und sich um die Stadtkasse kümmern. Wie aufregend! Damit gelangte er automatisch in den Stadtrat und würde dann, nachdem er sich ein paar Jahre lang den Hintern platt gesessen hatte, zum Ädil und in Folge zum Duovir gewählt werden. Ein Amt, das jeder Trottel bekleiden konnte, vorausgesetzt, er war Mitglied des Stadtrates und erreichte das entsprechende Alter. Aber als Justinii Marcellii stand es außer Frage, dass er, wenn er mit fünfunddreißig Jahren noch am Leben wäre, zum Duovir gewählt werden würde. Bis dahin würde er im Stadtrat versauern, den Weinhandel leiten und im Herbst die Weinernte auf dem Hof beaufsichtigen. Dieses Schicksal sah Lucius unweigerlich auf sich zukommen, und nichts würde es ihm ersparen. Er konnte kein Tribun werden. Tribune waren entweder Söhne von Senatoren oder Söhne von Rittern. Sein Vater war weder das eine noch das andere. „Ich weiß!“, fauchte Lucius ins Leere. „Deshalb werde ich hier in Arausio ‚Karriere’ machen. Schreiber bei meinem Bruder, dann eigene Aufgaben und als oberstes Ziel: persönlich Verhandlungen in ‚fernen’ Städten wie Lugdunum, Massilia oder Narbo zu führen.“ Wenn kein Wunder geschah, wäre die einzige andere Karriere, die ihm blieb, der Eintritt in die Legion als Miles, als einfacher Soldat. Dann könnte er in zehn oder zwanzig Jahren zum Centurio aufsteigen und danach in den Verwaltungsdienst einer Provinz wechseln. Diesen Weg wollte Lucius aber ganz und gar nicht einschlagen. Miles! Er schüttelte den Kopf. Er war ein Justinii Marcellii, einer seiner Vorfahren war bereits Ritter gewesen und ein Gefolgsmann des legendären Gaius Marius. Lucius suchte eine bequemere Position und sinnierte weiter.
    Er hatte Mars ein Opfer gebracht und um ein Wunder gebeten. Vielleicht sollte er auch noch Apollo ein Opfer bringen und ihn um Hilfe bitten, überlegte Lucius. Apollo war immerhin der Schutzgott von Augustus – und wenn nicht der Princeps, wer konnte dann für Hilfe sorgen? Gleich auf dem Heimweg würde er Apollo ein Opfer bringen – und Fortuna natürlich, denn Glück war auch nicht zu verachten. Hatten nicht Sulla und Caesar ganz fest auf ihr Glück vertraut und am Ende ihre Feinde besiegt?
    Lucius hatte es tatsächlich fast pünktlich zur Cena geschafft. Er lag auf seiner Cline, steckte sich eine Traube in den Mund und musterte dabei gedankenverloren die Wandbemalung im Triclinium,
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