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Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)

Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Klaus Pollmann
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zu machen. Als Sohn eines reichen Ritters würde er einfach irgendwann das Geld seines Adoptivvaters erben.
    Gaius, der vernünftige Gaius, hatte konkrete Vorstellungen, wie Lucius’ Lebensweg aussehen sollte. Leider deckten sich diese überhaupt nicht mit Lucius’ Vorstellungen. Vor einigen Tagen hatte er sich bei Gaius über seinen Rhetorikunterricht beschwert. Auf Gaius’ Frage, warum er so schlechte Laune habe, hatte er geantwortet: „Ach, nichts Besonderes. Asteros’ Unterricht war wieder zum Einschlafen. Bei Minerva, der Göttin der Weisheit, warum muss ich jede Rede, die in Rom jemals gehalten wurde, auswendig lernen und vortragen? Was soll ich damit? Ich würde lieber in der Palaestra mit meinen Freunden trainieren. Von denen muss keiner Rhetorik lernen. Sie stehen kurz davor, die Toga der Männer anzulegen und in die Welt der Erwachsenen einzutreten, und ich muss immer noch lernen. Sie helfen ihrer Familie, sie reisen und kommen herum. Appius war sogar schon einmal in Narbo.“
    Aber Gaius hatte nur Spott für ihn übrig gehabt. „Oh, ihr Götter!“ Er hob die Arme zum Himmel, als ob er beten wollte. „Seht diesen armen, geknechteten Mann und erbarmt euch seines Schicksals! Wie lange, Lucius, willst du unsere Geduld noch missbrauchen? Wie lange soll diese deine Raserei ihr Gespött mit uns treiben?“ Lucius lief dunkelrot an und war nahe daran, die Beherrschung zu verlieren, als er Gaius eine der berühmtesten Reden von Cicero zitieren hörte. Ehe er aber etwas sagen konnte, ließ Gaius seine Arme sinken und fuhr im normalen Tonfall fort: „Du müsstest dich mal selber hören. Andere Jungen in deinem Alter stehen jetzt gerade auf den Feldern und arbeiten noch bis zum Dunkelwerden. Das Schwerste, was du heute schon gehoben hast, sind deine Schriftrollen. Du hast Glück, dass du eine Schule besuchen und Rhetorik lernen kannst. Das wird dir bei Geschäftsverhandlungen nützlich sein. Vielleicht wirst du später ein öffentliches Amt bekleiden. Dann musst du in der Lage sein, vor vielen Menschen zu reden. Mit deiner Ausbildung in Rhetorik und Juristik kannst du als Anwalt Fälle vor Gericht vertreten. Du kannst dich zum Ädil oder Duovir wählen lassen. Du hast viele Möglichkeiten, aber vorher musst du studieren!“
    Anwalt oder Ädil in Arausio, Lucius stöhnte so laut auf, dass die anderen Badegäste erschrocken zu ihm sahen. Schrecklicher Gedanke, als ob er sein ganzes Leben in dieser kleinen
colonia
versauern wollte. Gaius kannte Lucius’ heimlichen Wunsch nicht, seinen Traum, der zum ersten Mal im Alter von fünf oder sechs Jahren in ihm aufgestiegen war, als sie an einer Mansio rasteten. Lucius hatte so gebannt den Abenteuern eines ehemaligen Legionärs zugehört, dass sein Vater ihn schließlich verärgert wegzerren musste. Auf der Weiterreise bestürmte Lucius seinen Vater mit Fragen und wollte wissen, ob seine Soldatenzeit auch so aufregend gewesen sei. „Höre bloß nicht auf diesen Aufschneider!“, sagte Gnaeus Marcellus. „Das Leben in der Legion ist nicht so unterhaltsam!“ Dann erzählte er Lucius ein paar Geschichten, um ihm einen richtigen Eindruck zu vermitteln. Lucius konnte keinen Unterschied erkennen. All das hörte sich für ihn fremdartig, abenteuerlich und faszinierend an. In diesem Moment stand für ihn fest: Er wollte später ebenfalls dem Imperium dienen, wie sein Vater. Erst hatte sein Vater gekämpft, um Gallien zu erobern, und dann, um den schrecklichen Bürgerkrieg zu beenden. Er hatte beim Wiederaufbau geholfen und drei Jahre lang für Agrippa in der Provinzverwaltung von Gallia Comata gearbeitet. Er hatte bei der Ansiedlung der Veteranen in Arausio und Forum Julii geholfen. Jetzt war er im Osten, um im Krieg und in Verhandlungen mit den Parthern seine Pflicht zu erfüllen. Dazwischen war er immer wieder wie Cinncinatus auf seinen Hof zurückgekehrt und hatte sein Land bearbeitet.
    So stellte sich Lucius auch seine Zukunft vor. In die Welt ziehen, um dem Imperium zu dienen. Drei, vier Jahre als Militärtribun, danach wichtige Aufgaben in der Provinzverwaltung, Feldzüge in ferne Länder, Parthien und Ägypten, ins sagenumwobene Britannien, Kämpfe gegen riesige Germanen, reiche Städte, die man plündern konnte. Veteranen ansiedeln, Provinzen verwalten und zwischendurch auf sein eigenes Landgut zurückkehren, voller Ehren, immer bereit, wieder gerufen zu werden.
    Diesen Traum hatte er aber für sich behalten. Stattdessen hatte er seinen Vater weiter nach Geschichten
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