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Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)

Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Klaus Pollmann
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Hand, mit der er gerade die Tür hatte öffnen wollen, sinken und drehte sich halb zu ihr um:
    „Was?“, fragte er und hoffte, an seiner Stimme wäre zu erkennen, dass er an einer Belehrung über das Erwachsenwerden nicht interessiert sei. Aber Julia hatte etwas anderes auf dem Herzen. „Rogata war heute Morgen hier!“, sagte sie ernst.
    Rogata war die Nachbarin, deren Wohnung an ihren Garten grenzte. Eine sehr redselige Frau, dachte Lucius, die einem mit dauernden Ratschlägen auf die Nerven ging. Als Entschädigung hatte sie aber mit Sabellia eine entzückende Tochter. Lucius kannte Sabellia und ihren älteren Bruder, seit sie ein kleines Mädchen war. Der kleine Sextus, mit dem er ab und zu spielte, war Sabellias jüngster Bruder. Mittlerweile war Sabellia vierzehn und sah gar nicht mehr wie ein kleines Mädchen aus. Julias durchdringender Blick holte Lucius unsanft ins Jetzt zurück.
    „Sie möchte es wegen Sabellia nicht mehr!“
    Lucius war verwirrt. Was wollte Rogata wegen Sabellia nicht mehr?
    Julia schimpfte verärgert: „Du hast wieder nicht zugehört!“
    Ja, ja, dachte Lucius entnervt, jetzt red schon.
    „Rogata und ihr Mann Titus Sabellius haben nichts gegen deine Besuche einzuwenden und freuen sich, wenn du mit dem kleinen Sextus spielst, aber sie sagen, es geht nicht, dass du einfach über die Mauer in ihren Hof kletterst.“
    „Was?“, fragte Lucius überrascht. „Das mache ich doch schon, seit ich sechs Jahre alt bin!“
    „Ja, aber mittlerweile bist du ein junger Mann und Sabellia ist eine junge Frau, und sie sagen, es schickt sich nicht, über die Hofmauer zu steigen!“ Julia machte eine Pause und fügte dann streng hinzu: „Ich bin ihrer Meinung!“
    „Ich aber nicht!“, antwortete Lucius von oben herab. „Ich bin gut genug, um mit Sextus zu spielen, aber dann soll ich um die ganze Insula laufen, anstatt von unserem Garten aus einfach über die Mauer zu klettern?“ Lucius verkniff sich die Bemerkung, was Rogata und Titus ihn konnten, und riss die Tür auf.
    „Ich bin im Bad!“, rief er Julia noch kurz zu und schlug die Tür donnernd hinter sich zu.
    Das letzte, was er von seiner Schwägerin vernahm, war so etwas wie: „Sei wenigstens heute pünktlich zur Cena wieder da!“ Was für eine blöde, überflüssige Bemerkung, dachte sich Lucius. Frauen waren doch zu albern – als ob er bei seinem Hunger das Abendessen verpassen würde.
    Julia sah Lucius seufzend nach. Gab es etwas Schlimmeres als heranwachsende Männer? Gerade in der Zeit, bevor sie die Bulla ab- und die
toga virilis
anlegten, waren sie besonders unausstehlich. Julia wusste, wie das war, sie hatte selbst zwei Brüder. Sie waren genauso gewesen. Sie konnten die Bulla gar nicht schnell genug loswerden. Immer wieder mussten sie ermahnt werden, sie umzuhängen. Das Amulett beschützte sie, bis sie richtige Männer waren. Aber welcher Sechzehnjährige würde schon zugeben, noch kein Mann zu sein, besonders, wenn er einem Mädchen nachstellen wollte? Lucius hatte in den letzten Monaten mehrmals seine Bulla „vergessen“ und Julia fragte sich, wer die Glückliche war. Sie hatte ihrem Mann Gaius nichts davon gesagt, da Männer schnell vergaßen, dass sie selbst einmal jung gewesen waren. Das Letzte, was Lucius brauchte, war eine Moralpredigt seines ältesten Bruders. Sie musste mit Gaius reden. Lucius brauchte dringend eine Beschäftigung, die ihm das Gefühl gab, erwachsen zu sein und ernst genommen zu werden. Und die ihn davon abhielt, Dummheiten zu machen.
    Auf der Straße schlug Lucius ein gemäßigtes Tempo an. Er war wütend über Julias Ermahnungen, aber nicht so blind vor Zorn, dass er einen Sturz in den Straßendreck riskieren wollte. Unter den Kolonnaden herrschte auf den Bürgersteigen viel Betrieb, deshalb kam er auf der Straße besser voran. Jetzt am Nachmittag strotzte sie nur so vor Schmutz und Unrat. Die Ladenbesitzer hatten begonnen, ihre Geschäfte aufzuräumen, da es bald Zeit war, sich mit der Familie zur Cena niederzulassen. Sie kippten ihren Dreck einfach auf die Straße und kehrten. Mit dem Abfall, der sich den Tag über sonst noch ansammelte, gab das eine ziemliche Schweinerei. Fußgänger mussten aufpassen, wenn sie nicht ausrutschen und unter allgemeinem Gelächter auf dem Hintern landen wollten. Außerdem würden ihm Gaius und Julia wieder einen Vortrag über die
dignitas
der Familie halten, wenn Lucius zu schnell ging. Es schadet dem Ansehen der Familie, wenn der Sohn des Gnaeus Justinius
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