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Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Titel: Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
Autoren: V.C. Andrews
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sie die Stirn, als ob sie eine so unkomplizierte Herrin verwirrt hätte. »Die Dienerschaft ist hier, um den Bewohnern dieses Hauses das Leben so bequem wie möglich zu gestalten. Egal, ob Sie hier oben oder im Speisezimmer zu Abend essen, wir werden Ihre Bedürfnisse befriedigen.«
    Bei dem Gedanken, allein in dem riesigen Saal dort unten zu Abend zu essen, an dieser langen Tafel mit all den leeren Stühlen zu sitzen, wurde ich von einem Gefühl der Einsamkeit fast erschlagen. »Wenn Sie mir gegen sieben irgend etwas Leichtes heraufbringen würden, wird das genügen.«
    »Jawohl, Fräulein«, antwortete sie, offensichtlich erleichtert, wenigstens etwas für mich tun zu können. Und dann war sie verschwunden.
    Und ich hatte ganz vergessen zu fragen, ob sie meine Mutter gekannt hatte!
    Ich drehte mich wieder um, um die Räume meiner Mutter weiter zu durchsuchen. Es schien mir, als sei alles so gelassen worden, wie an dem Tag, als sie weglief, obwohl man gelüftet, gesaugt und Staub gewischt hatte. Nacheinander nahm ich alle Fotografien in den Silberrahmen in die Hand, betrachtete sie eingehend, immer auf der Suche nach den Seiten meiner Mutter, von denen Granny und Großpapa keine Ahnung gehabt hatten. So viele Schnappschüsse. Wie schön Jillian aussah, ihre Tochter auf dem Schoß und dahinter ihr ergebener Ehegatte. Blaß und zaghaft stand in kindlicher Handschrift auf dem Rand der Fotografie: »Daddy, Mammi und ich.« Eine Schublade barg ein dickes Fotoalbum. Langsam, ganz langsam blätterte ich die schweren Seiten um und starrte auf die Schnappschüsse eines Mädchens, wie es größer wurde und von Jahr zu Jahr hübscher. Da prangten Geburtstagspartys in allen Farben, ihr fünfter, sechster und siebter, bis zum dreizehnten. Leigh Diane VanVoreen stand da immer und immer wieder, als ob sie Spaß an ihrem Namen gehabt hätte. Cleave VanVoreen, mein Daddy. Jillian VanVoreen, meine Mammi. Jennifer Longstone, meine beste Freundin. Winterhaven, bald meine Schule. Joshua John Bennington, mein erster Freund – vielleicht mein letzter.
    Lange ehe ich noch die Hälfte umgeblättert hatte, war ich schon eifersüchtig auf dieses hübsche, blonde Mädchen, auf ihre wohlhabenden Eltern, ihre tollen Kleider. Sie machte Ausflüge in den Zoo, besuchte Museen und sogar fremde Länder, während ich nur Bilder vom Yellowstone Park kannte, aus zerfledderten, dreckigen Nummern von N ATIONAL G EOGRAPHIC oder in Schulbüchern. Beim Anblick von Leigh mit Daddy und Mammi auf einem Dampfschiff, das gerade zu einem fremden Ziel aufbrach, schnürte sich meine Kehle zu. Da stand sie, Leigh VanVoreen, und winkte demjenigen, der ihr Bild knipste, ganz aufgeregt zu. Dann noch mehr Fotos von Leigh an Bord, beim Schwimmen oder bei Tanzstunden mit Daddy, wobei Mammi fotografierte. Leigh in London vor Big Ben oder bei der Wachablösung im Buckingham Palast.
    Irgendwo, lange bevor aus dem Kind ein junges Mädchen geworden war, hatte ich mein Mitleid mit einem Mädchen, das viel zu jung sterben mußte, verloren. Meine Mutter hatte in ihrem kurzen Leben zehnmal soviel Spaß und Amüsement kennengelernt wie ich, und wahrscheinlich mehr als ich in meinen nächsten zwanzig Jahren je kennenlernen würde. In den entscheidendsten Jahren hatte sie wirklich einen Vater, einen freundlichen, liebenswürdigen Mann, wie es von den Bildern schien. Er brachte sie nachts ins Bett, betete mit ihr und brachte ihr bei, wie Männer wirklich sind. Wie hatte ich nur je glauben können, Cal Dennison hätte mich geliebt? Wie konnte ich jetzt noch annehmen, daß Logan mich je wiedersehen möchte, denn wahrscheinlich würden sie beide in mir dasselbe wie Pa sehen. Nein, nein, versuchte ich mir selbst einzureden. Daß er mich nicht liebte, war Pa’s Verlust, nicht meiner. Ich war nicht für alle Zeit verletzt worden. Eines Tages würde ich eine gute Ehefrau und Mutter sein. Und ich wischte mir meine jämmerlichen Tränen ab und verbot ihnen, jemals wieder zu kommen. Wofür taugte Selbstmitleid? Ich würde Pa nie wieder sehen. Unter keinen Umständen wollte ich Pa wiedersehen. Und wieder studierte ich die Fotografien. Ich hatte nie gewußt, daß kleine Mädchen so schöne Kleider tragen konnten, während meine kühnsten Träume mit neun oder zehn darin bestanden, irgend etwas aus den Schlußverkaufsregalen in Sears zu besitzen. Ich starrte auf Fotos mit Leigh beim Reiten, auf einem glänzenden braunen Pferd. Und ihre Reitkleidung brachte ihre helle Haut und das blonde Haar
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