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Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
Autoren: V.C. Andrews
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verschlungen hatte, in den Hof eilte, auf den kleinen Lieferwagen sprang und sich auf und davon machte, Gott weiß wohin.
    Leise weinend stand Sarah an der Tür. Sie trug ein »neues« Kleid, daß sie aufgetrennt und anders zusammengenäht hatte, mit neuen Taschen und Ärmeln, aus Stoffresten zurechtgestückelt. Ihr frischgewaschenes Haar schimmerte im Mondschein in einem warmen roten Glanz und duftete nach dem letzten Fliederwasser, das sie besaß. Es war alles umsonst gewesen, denn die Mädchen in »Shirley’s Place« hatten echtes französisches Parfüm, richtiges Make-up und nicht nur Puder, wie Sarah ihn auf ihre glänzende Nase getupft hatte. Ich war fest entschlossen, weder eine zweite Sarah noch eine zweite Angel aus Atlanta zu werden. Ich nicht. Niemals.

 
    2. KAPITEL
     
    S CHULZEIT UND K IRCHGANG
     
     
     
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Unsere-Jane groß genug war und mit uns nach Winnerrow in die erste Klasse gehen konnte. Aber in diesem Herbst war sie endlich sechs Jahre alt geworden, und nun sollte sie uns begleiten, auch wenn Tom und ich sie jeden Tag dorthin schleppen mußten. Und so war es auch, im wahrsten Sinne des Wortes: Wir schleiften sie hinter uns her, hielten ihre kleine Hand fest umklammert, damit sie uns ja nicht entkam und in die Hütte zurückrannte. Und wenn ich sie etwas zu schnell hinter mir herzog, ließ sie ihre Füße auf dem Boden schleifen, um sich dagegen zu wehren.
    Unsere-Jane war ein liebes und herzensgutes Kind, aber sie konnte einem mit ihrem ständigen Wimmern und dem dauernden Erbrechen, das einen ekligen, säuerlichen Geruch verbreitete, schon auf die Nerven gehen. Ich wollte sie gerade ausschimpfen, weil wir ihretwegen schon wieder zu spät kommen und alle in der Schule wegen unserer Unpünktlichkeit lachen würden. Unsere-Jane lächelte, streckte ihre schwachen Ärmchen nach mir aus, und meine Worte erstarben mir auf den Lippen. Ich hob sie hoch und bedeckte ihr hübsches Gesicht mit Küssen: »Geht’s besser, Unsere-Jane?«
    »Ja«, piepste sie, »aber ich geh’ nicht gerne. Tut meinen Füßen weh.«
    »Gib sie mir«, sagte Tom und nahm sie mir ab.
    Tom trug sie in den Armen und sah auf ihr kleines, hübsches Gesicht hinab, das sie vorsichtshalber schon verzogen hatte, um sofort loszuheulen, falls er sie wieder auf den Boden stellen sollte. »Du bist ‘ne kleine Puppe«, sagte Tom zu ihr und wandte sich dann mir zu. »Weißt du, Heavenly, auch wenn Vater das Geld nicht hat, euch ‘ne Puppe zu Weihnachten oder zum Geburtstag zu kaufen, dann habt ihr ja was Besseres an Unserer-Jane.«
    Ich hätte ihm widersprechen können. Puppen konnte man weglegen und vergessen. Aber niemand konnte Unsere-Jane vergessen, und Unsere-Jane setzte alles daran, daß man sie nicht vergaß.
    Keith und Unsere-Jane bildeten ein inniges Paar, so als verbände auch sie eine besondere Seelenverwandtschaft. Stark und robust lief Keith neben Tom her und blickte voll bewundernder Liebe auf seine kleine Schwester. Ebenso eilte er immer nach Hause, um sie zu begrüßen, und sie lächelte dankbar unter Tränen, wenn er alle ihre Wünsche erfüllt hatte. Und immer wollte sie das, was Keith gerade hatte. Keith, gutmütig wie er war, gab all ihren Wünschen nach, ohne sich jemals zu beklagen, auch wenn Unsere-Jane so viel forderte, daß sogar Tom manchmal protestierte.
    »Bist ‘n Trottel, Tom, und du auch Keith«, bemerkte Fanny. »Ich wär’ ja blöd, wenn ich ‘n Mädchen tragen würde, das genausogut wie ich gehen kann.«
    Unsere-Jane fing zu jammern an. »Fanny mag mich nicht… Fanny mag mich nicht…« Sie hätte wohl den ganzen Schulweg so weiter gemacht, wenn Fanny nicht widerstrebend Unsere-Jane aus Toms Armen in die ihren genommen hätte. »Ist ja schon in Ordnung. Aber warum kannst du nicht gehen lernen, Unsere-Jane, warum denn nicht?«
    »Will nicht gehen«, sagte Unsere-Jane und schlang ihre Arme fest um Fannys Hals und küßte sie.
    »Siehste«, sagte Fanny stolz, »mich hat sie am liebsten… nicht dich, Heaven, oder dich, Tom… mich hat sie am liebsten, nicht wahr, Unsere-Jane?«
    Verwirrt blickte Unsere-Jane zu Keith, zu mir und zu Tom und fing an zu schreien: »Laß mich runter! Laß mich runter!«
    Fanny ließ Unsere-Jane in eine Pfütze fallen. Sie schrie, und Tom rannte hinter Fanny her, um ihr eine gehörige Tracht Prügel zu verpassen. Ich versuchte, Unsere-Jane zu beruhigen, und trocknete sie mit einem Lappen ab, den ich statt eines Taschentuches bei mir trug.
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